Bewegte Kartoffeln

Die interaktive Fernbedienung Betty soll Zuschauer vom Zappen abhalten und zum Geldausgeben motivieren

Betty, die Fernbedienung, ist ein Fall für das Büro für Technikfolgenabschätzung. Die Angestellten des Büros finden für die Abgeordneten des Bundestags heraus, welche Gefahren hinter technischen Neuheiten lauern. Bei Betty hätten die Forscher alle Hände voll zu tun. Denn Betty ist keine normale Fernbedienung, mit der man von der Couch aus die Sender wechselt oder die Lautstärke verändert. Mit Betty, so träumte der schwergewichtige Privatfernsehkönig Dr. Helmut Thoma bei der Vorstellung von Betty am vergangenen Donnerstag in München, sollen „Couchpotatoes in Bewegung gebracht werden“. Thoma selbst saß völlig regungslos auf einem Sofa. Und die Frage muss daher lauten: Eine Fernbedienung, die Menschen zum Sport animiert? Wie gesagt: Betty ist ein Fall für die Technikfolgenforscher.

In erster Linie ist sie aber ein relativ langes Stück Plastik von überschaubarem Nutzen. Mit ihrer silbrig-schwarzen Flachbau-Optik passt die Fernbedienung perfekt in deutsche Wohnzimmer mit Furnierschrankwänden und schwarzen Ledersofas. Oder anders: Die Zielgruppe von Betty deckt sich mit dem Durchschnittszuschauer der Senderfamilie ProSiebenSat1: weiblich, mittleres Alter, unteres bis mittleres Bildungsniveau.

Das ist kein Zufall, schließlich hat die Betty AG ihr Produkt mit diesen Sendern in den vergangenen Jahren entwickelt und wird dort auch erstmals zum Einsatz kommen. Und das geht so: Die Basisstation wird auf der einen Seite an die Scartbuchse des Fernsehers angeschlossen, auf der anderen an die Telefondose. Über ein kleines Schwarz-Weiß-Display kommuniziert die 39,90 Euro teure Betty mit dem Zuschauer. Sieht der beispielsweise „Germany’s Next Top Model“ an, macht der Plastikprügel mit einem dezenten Piepston auf sich aufmerksam: „Betty, Betty in der Hand – wer ist die Schönste im ganzen Land? Wer soll Germany’s next Topmodel werden? Entscheiden Sie sich jetzt!“ erscheint dann auf dem Display.

Knöpfe von A bis D helfen bei der Beantwortung der Fragen, die sich eine 40-köpfige Redaktion in München ausdenkt. Zwei Drittel der rund 100 Fragen und Aktionen, die von München an die Betty-Besitzer geschickt werden, kosten nichts, für alle anderen werden 50 Cent pro Aufgabe abgebucht.

Interessant ist Betty aber nicht nur für Benutzer, sondern gerade auch für die Werbeindustrie. Peter Christmann, Marketingvorstand der ProSiebenSat.1 Media AG, berichtet von Tests in der Schweiz, wo Betty bereits seit Mitte 2006 auf dem Markt ist: „Die Zapping-Quote ist dort deutlich runtergegangen.“ Und eine der 2.000 deutschen Betty-Tester erzählte dem gut gelaunten Premierenpublikum, dass „ich bei Werbung nicht mehr umschalte, sondern absichtlich hinschaue, um Sofameilen zu sammeln“. Und Sofameilen gleich Bettywährung gleich Belohnung für exzessives Couchpotatoeing gleich Crossmarketing gleich feuchte Werberträume. Nur wer kümmert sich eigentlich um die, die sich auf der Couch lümmelnd verschulden?

„Es ist ganz einfach: Sie müssen nur OK drücken, dann sind Sie dabei!“, schwärmte Moderatorin Sonya Kraus, die Betty in München vorstellte. Ach, wenn die das sagt!

DOMINIK SCHOTTNER