Männer, die tragen Bärte

HAUSBESUCH Sie lieben sich seit zweieinhalb Jahren. Ungelöst ist die Katzenfrage. Bei Ingo Sawilla und Michael Franz

VON WALTRAUD SCHWAB
(TEXT) UND QUIRIN LEPPERT (FOTOS)

München, eine Wohnung unterm Dach. Zu Besuch bei Michael Franz (21) und Ingo Sawilla (32).

Draußen: Ein Altbau, unweit des Viktualienmarkts und der Maximilianstraße.

Drin: „Höhle“ nennen sie ihre Zweizimmerwohnung und sagen im selben Atemzug, dass es keine sei. „Ein Riesenglück, dass wir sie gefunden haben.“ Auf dem Esstisch eine Vase mit roten Pfingstrosen, im Bücherregal vierzig Zentimeter Karl Valentin, auf dem Sideboard aus dem Keller der Eltern eine Suppenterrine. „Wenn du Maximilianstraße sagst, denken die meisten ans Protzen“, sagt Sawilla. 1.100 Euro Miete zahlen sie. Über den PC läuft Musik. Keith Jarretts „Köln Concert“ in Endlosschleife.

Was machen die zwei? Sie lieben sich. „Seit zweieinhalb Jahren.“ Ingo Sawilla hat einiges ausprobiert: Film, Politik, PR. Jetzt ist er „halb Pressesprecher, halb Onlinefuzzi“ im Residenztheater in München und froh, dass er eine Arbeit hat, „die Herzblut ist“. „Ich bin glücklich, dass ich keinen Job mache, in dem ich Autos an den Mann bringen oder Genmais verteidigen muss.“ Michael Franz studiert Pädagogik und Soziologie. Nebenbei arbeitet er in der Psychiatrie, überlegt, Psychotherapeut für Kinder- und Jugendliche zu werden. Dass es möglich ist, Kinder durchs Spielen so zu unterstützen, dass sie ihre Probleme verarbeiten können, sei großartig. Wenn die beiden weder studieren noch arbeiten, kann es sein, dass sie kochen. Franz hat in einer Kochschule gejobbt. Zuerst war er Tellerwäscher, dann hat er Rezepte nachgekocht und angefangen, zu experimentieren. Sawilla: „Ich hab Glück, dass Michi auf gutes Essen Wert legt. Das eint uns.“ Samstags kaufen sie ihr Fleisch beim Ignaz Vogl, einem Metzger nahe dem Rosenheimer Platz. So kämen sie vor 11 Uhr aus dem Bett, damit sie es zu ihm schaffen. Sawilla lacht. „Das zeigt wohl unsere Spießigkeit.“ Auch zum Hausbesuch tischen sie auf. Waffeln, Obst, Sahne. „Wir wollen, dass es schön ist, wenn Gäste da sind.“

Ingo Sawilla: Eigentlich ist er Vilshofener. Aber geboren 1982 in einem Krankenhaus im 150 Kilometer entfernten München. „Weil mein Herz noch im Mutterleib ausgesetzt hat, hat man uns in die große Stadt gebracht.“ Zurück in Vilshofen, wo die CSU früher ihren politischen Aschermittwoch abhielt, wächst er in einem eingemeindeten Dorf auf, will dann, wegen seines Schulfreundes, auch aufs Gymnasium, „ein humanistisches“, und tritt mit 16 der SPD bei. „Es gab Probleme mit Rechten in Vilshofen und die SPD war da aktiv.“ Für die Fernsehproduktion „Forsthaus Falkenau“, die bei Vilshofen gedreht wird, ist er Mädchen für alles, organisiert, sucht Komparsen. „Ich bin, was man einen Gschaftler nennt.“ Mit 19 lässt er sich für den Stadtrat aufstellen, wird nicht gewählt. Nach dem Abi macht er ein Volontariat beim „Forsthaus Falkenau“, denkt aber: „Zum Film kann ich immer noch“, und geht ins Wahlkampfteam vom Maget Franz, der eine katastrophale Wahlniederlage für die SPD einfährt. Am Wahlabend steht Ingo Sawilla in Lederhosen weinend im Saal – „ein Jahr lang Arbeit“. Umsonst. Jemand fotografiert ihn. Das Bild ist in den Zeitungen. Danach studiert er: Germanistik, Theaterwissenschaft, Volkskunde. „Halt ein Zickzackweg.“

Michael Franz: 1992 in Otterfing, München-Süd, geboren. Noch bevor er erzählt, dass seine Kindheit toll war, mit der Berliner Mutter und dem urbayerischen Vater, „der Landkindheit, wo man im Dreck spielen durfte, den Pferden von gegenüber Grasbrei kochen und sie damit füttern konnte“, sagt er: „Ich bin ein Scheidungskind.“ Dass er neben der älteren Schwester auch einen Zwillingsbruder hat, einen gleichen, diese Karte wird aber wie ein Trumpf ausgespielt. Die Welt der Eltern zerbricht, der Zwillingsbruder, Stefan, bleibt.

Der Zwilling: „Er ist auch schwul, auch Bartträger, studiert ebenfalls Soziologie, hat auch einen älteren Freund mit zu viel Kilo auf den Rippen“, zählt Sawilla auf. Das Wunder der Verdopplung ist für Sawilla größer als für Franz. Das Magische, Telepathische will er nicht in der Beziehung zum Bruder. Obwohl: „Manchmal passiert es, dass ich den ganzen Tag ein Lied vor mich hin summe und dann kommt er und singt es“, sagt Franz, „wahrscheinlich haben wir es beide im Radio gehört.“

Homosexualität und Familie: Dass die beiden, (die drei), schwul sind, sei für ihre Eltern kein Problem gewesen. Die Mütter hätten das irgendwie gemerkt. Bei Sawilla, dessen Eltern über siebzig seien, gibt es einen älteren Bruder. „Der hat das Familienmodell bedient, mit Haus, mit Kindern, mit Baum pflanzen.“ Der Ältere, meint Sawilla, halte ihm damit den Rücken frei.

Eigene Kinder: „Ein Thema, über das wir manchmal sprechen.“ Geplant sei aber nichts. „Erst wenn Michi seinen Weg gefunden hat.“ Trotzdem: Es gäbe bei ihnen, anders als bei vielen ihrer Freunde, ein konkretes Gefühl dazu.

Die Liebe zur Welt: Im Studium, erzählt Michael Franz, würden sie mit Theorien zu „Humanressourcen“ konfrontiert. „Schon das Wort ist grausam. Ich kann Menschen doch nicht nach Zahlen beurteilen.“ Personalchef sei so eine Berufsrichtung, die man mit einem sozialwissenschaftlichen Studium einschlagen könne. „Menschen bei Bewerbungsgesprächen testen, ob sie ins Corporate-Identity-Profil passen? Oder Menschen outsourcen?“ Er könne das nicht, wolle das nicht.

Die Bärte: Sie betreiben, sagen sie, keinen Bartkult. Michael meint, er musste sich schon in der fünften Klasse rasieren. Sawilla sagt, dass die Haare vom Kopf halt runtergerutscht seinen. „Ich muss doch was tun, damit ich nicht wie ein dickes Kind aussehe.“

Wie finden sie Merkel? Franz fragt, warum nicht stattdessen gefragt wird, worüber sie streiten. Worüber streiten sie? „Ich will eine Katze. Ingo nicht.“

Nächstes Mal besuchen wir Sabine und Francis Mandra in Berlin. Sie wollen auch besucht werden? Mailen Sie an hausbesuch@taz.de