Ende einer Seefahrt

HANDELSWARE MENSCH Heidi Specognas Dokumentarfilm „Das Schiff des Torjägers“

„Alles ist ein Kreislauf“, sagt der Mann am Strand von Benin und zeigt auf Schrottteile, die aus dem Sand ragen. Alles kann wiederverwertet werden. Das Schiff, das unter dem Sand liegt, hat schon viele ernährt. Erst seine Besitzer in Europa, dann seinen Besitzer in Afrika. Bald wird die Fähre in Einzelteile zerlegt und verkauft. Bis dahin baut sich der Strandwächter aus den Resten des Schiffs eine Hütte. Jeder muss mit dem, was er in die Finger kriegt, auskommen. Er muss aber auch etwas zurückgeben.

Als Kind, in Lagos, war Jonathan Akpoborie eines von einem Dutzend Geschwister. Was er hat, ist ein höllisches Talent als Fußballspieler. Das bringt ihn erst in die nigerianische Nationalmannschaft, dann in den europäischen Spitzenfußball. Dort macht er so viel Geld, dass er seiner Familie ein Schiff kaufen kann, die „Etireno“. Besser, als nur Geld zu schicken: So können seine Brüder selbst für ihr Auskommen sorgen.

Andere Familien in Westafrika haben nichts, außer viele Kinder. Also werden diese verschickt, um woanders das Geld zu verdienen, das ihre Familie braucht. Die Meldung, dass auf der „Etireno“ Kinder ins reiche Gabun gebracht werden sollten, bringt die Weltpresse auf den Plan. Das Schiff wird in den Zielhäfen abgewiesen, muss umkehren. Der Skandal ist groß. Regierungen müssen sich erklären. Die Auswirkungen reichen bis Europa. Weil die „Etireno“ Akpoborie gehörte, trennt sich der VfL Wolfsburg von seinem Star.

Der Dokumentarfilm „Das Schiff des Torjägers“ von Heidi Specogna erzählt die Nachgeschichte dieses Ereignisses. Zwei der Jugendlichen, die damals verschifft wurden, berichten, wie sie die Fahrt erlebten und wie ihre Perspektiven heute aussehen. Einer soll Fotograf werden. Bevor er die Kamera überreicht bekommt, wird „das Stück Eisen“ in einem Ritual beschworen – damit die Arbeit erfolgreich ist.

Wer nun eine Dokumentation über Kindersklaverei erwartet, wird enttäuscht. Specogna lenkt den Blick auf Strukturen der Handelsware Mensch. Auch im Profifußball wird mit Lebensschicksalen verdient. Heute ist Akpoborie selbst ein Talentscout, einer, der Jugendliche entdeckt und in die Welt verschickt. Natürlich nur mit dem Einverständnis der Eltern und im Einklang mit geltenden Gesetzen. Obwohl, sagt er, wenn einer das richtige Potenzial habe, gebe es immer einen Weg, Regelungen zu umgehen. DIETMAR KAMMERER

■ „Das Schiff des Torjägers“. Regie: Heidi Specogna. Dokumentarfilm, Deutschland/Schweiz 2010, 94 Min.