Grüne haben kein Geld für Straßen

VERKEHRSPOLITIK Die Grünen kritisieren das Verkehrsszenario des Senats als unfinanzierbar

Tempo 30 soll die Regel werden, Tempo 50 die Ausnahme

Die Grünen haben dem Senat wegen seiner verkehrspolitischen Ziele Realitätsferne vorgeworfen. Im neuen Stadtentwicklungsplan Verkehr würden Erwartungen geschürt, die angesichts der Haushaltslage auf keinen Fall erfüllt werden könnten, sagte die verkehrspolitische Fraktionssprecherin Claudia Hämmerling am Donnerstag. Das 140 Seiten starke Papier sei ein finanzpolitischer Offenbarungseid. Der Senat hatte den Plan, der die Strategien bis 2025 festlegt, jüngst vorgestellt.

„Wenn die Grünen an die Regierung kommen, werden sie gar keine neuen Straße bauen und auch acht Straßenbahnprojekte werden nicht drin sein“, sagte Hämmerling. „Wir müssen Prioritäten setzen.“ Vorrangig sei etwa der Trambau in der Invalidenstraße. Den Weiterbau der Autobahn 100 in Treptow und Neukölln lehnen die Grünen ab – sehen dies allerdings nicht als ein Hindernis für ein grün-rotes Bündnis nach der Wahl. „Wir glauben nicht, dass die SPD so sehr an der A 100 festhält“, sagte Hämmerling. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hat sich indes jüngst deutlich für den Bau ausgesprochen.

Die Abgeordnete verwies auf die hohen Instandhaltungskosten, die sich angesammelt hätten. Laut dem Verkehrsplan des Senats sind dafür in den kommenden 15 Jahren 290 Millionen Euro für Straßen und 800 Millionen Euro für U-Bahn und Straßenbahn vorgesehen. Dazu kommen gut 5 Milliarden Euro für Betrieb und Erhalt des Straßen- und Nahverkehrssystems. „Wenn das Dach eines Hauses leckt, baue ich doch nicht ein Wintergarten an, sondern repariere erst einmal das Dach“, so Hämmerling. Berlin habe bereits ein exzellentes Straßennetz; das gelte es in Schuss zu halten.

Insgesamt beträgt der Bedarf bis 2025 dem Senat zufolge 7,475 Milliarden Euro. Dieser Bedarf ist nicht vollständig gedeckt. Allerdings handelt es sich bei dem Verkehrsplan eher um ein Szenario denn ein striktes Handlungsmuster – es gibt also Spielräume. Hämmerling kritisierte, dass im Vorläuferplan aus dem Jahr 2003 Ziele vorgeschrieben waren, die zum Teil nicht erfüllt wurden. So seien etwa die Bedingungen für den Wirtschaftsverkehr kaum verbessert, die Kohlendioxid-Emissionen kaum gesenkt und die Verkehrssicherheit nicht merklich erhöht worden.

Die Grünen-Politikerin lobte zwar das Ziel, den Autoverkehr um sieben Prozentpunkte auf 25 Prozent am Gesamtverkehr senken zu wollen. Diese Vorgabe werde aber konterkariert durch die zahlreichen geplanten Straßenbauprojekte mit einem Volumen von mehr als 250 Millionen Euro. Hämmerling kritisierte etwa den beschlossenen Durchbruch der Axel-Springer-Straße hin zur Leipziger Straße. Diese soll 11,5 Millionen Euro kosten.

Hämmerling bekräftigte das Ziel der Grünen, auf der Straße einen Paradigmenwechsel einzuleiten: Tempo 30 solle die Regel werden, Tempo 50 die Ausnahme, Schilder sollten umgehängt werden. Es gehe nicht um eine flächendeckende Einführung, betonte sie. Es gehe eher um einen Mentalitätswandel in einer Stadt, in der auf 75 Prozent der Straßen ohnehin Tempo 30 gilt. KRISTINA PEZZEI