Pioniere, zur Sonne, zur Freiheit

HAUSBESUCH Solaranlage auf dem Dach, Blockheizkraftwerk im Keller. Franz und Soraya sind immer unter Strom

VON JOHAN KORNDER
(TEXT) UND JULIAN KURTENBACH (FOTOS)

Gerade noch auf Münchner Stadtgebiet, direkt an der Grenze zu Pullach. Zu Hause bei Franz Aßbichler (69) und seiner Frau Soraya Heuss-Aßbichler (46).

Draußen: Im Geäst versteckt sich ein Baumhaus, die Wiese ist winterkurz geschoren, vor der Laube stapelt sich Holz. Die Rosen sind mit Fichtenzweigen vor dem Frost geschützt. Das Haus changiert von rostrot bis anthrazit, stellenweise hat die Sonne das Holz ausgeblichen. Vor dem Eingang steht eine schlichte Holzbank, daneben ein Leiterwagen.

Drin: Niedrige Holzdecken, ein Bollerofen, auf der Couch liegt Kater Nero. In einem Körbchen auf dem Tisch selbst gebackene Kirschmuffins, an den Wänden die Kinderkunst der heute erwachsenen Töchter. Dazu überall Musikinstrumente: Im Wohnzimmer ein Flügel, drei Gitarren, zwei Banjos, eine Djembe und ein Korb voller Rasseln. In der Küche ein E-Bass mit Verstärker.

Wer macht was? Seit 2010 ist Franz „Oberstudienrat aus Leidenschaft im Unruhestand“. Er ist „in einem knackigen Alter, bei mir knackt es an allen Ecken und Enden“. Trotzdem übernimmt er regelmäßig Vertretungen an seiner alten Schule. Ansonsten kümmert er sich um den Haushalt, übt Gitarre für ein Benefizkonzert oder engagiert sich im Arbeitskreis Umweltschutz der Kirchengemeinde. Soraya lehrt an der Ludwig-Maximilians-Universität München als außerplanmäßige Professorin Mineralogie. Bei der älteren Tochter machte sie ein Jahr Babypause, doch die Arbeits- und Rollenverteilung wurde „sehr, sehr klassisch“. Bei der zweiten Tochter wollte sie das nicht mehr: „Franz hat dann nur noch Teilzeit gearbeitet und mit wachsender Begeisterung die Frauenrolle übernommen.“

Wer denkt was? „Wir haben eine gemeinsame Grundeinstellung. Es geht uns weniger ums Haben als ums Sein“, sagt Soraya. Und: „Wenn ich nicht auf Kosten der kommenden Generationen leben will, muss ich konsequent sein.“ Als der damalige bayerische Ministerpräsident Franz-Josef Strauß in den 80er Jahren sagte, Solarenergie sei ja schön und gut, aber für Deutschland untauglich, dachten die Aßbichlers: „Schaun mer mal“. Sie bauten Solarpanels auf ihr Dach und lebten 21 Jahre ohne Stromanschluss. Dafür mit der Sonne. War es dunkel, wurde es gemütlich. War es hell, wurde es geschäftig. „Viele Freunde haben uns bedauert“, erzählt Soraya. Doch sie habe immer entgegnet: „Dafür muss ich nicht bügeln. Braucht zu viel Strom.“ Die Spülmaschine ging, die Waschmaschine ging, nur nicht gleichzeitig. Man musste eben den Akkustand im Blick haben.

Soraya: Ihr Vater ist Deutscher, die Mutter Iranerin. Sie ging in Teheran auf eine deutsche Schule, zog mit 14 Jahren nach München, machte Abitur und studierte Mineralogie. Für ihre Diplomarbeit untersuchte sie Steine in Südtirol, für die Doktorarbeit in Schottland. Dort arbeitet sie auch heute immer wieder. Seit Jahren liegt ihr Schwerpunkt auf Umweltthemen: „Ich untersuche beispielsweise, welche Stoffe in Industrieabfällen und Abwässern sind und wie man sie wieder rausholen und verwerten kann.“

Franz: Geboren 1945 in Landshut. Seine Mutter flüchtete hochschwanger fast täglich in den Luftschutzbunker („Knallerei mag ich bis heute nicht“). Als er eins war, zogen sie nach Bad Tölz. Als Protestant hatte es Franz nicht immer leicht („Da hab ich schnell laufen gelernt“). In der evangelischen Gemeindejugend lernte er erste Griffe auf der Gitarre. Später spielte er in einer Band, und da er mit Hingabe die alten Verstärker reparierte, entschied seine Mutter: „Du wirst Elektroingenieur.“ Nach dem Ingenieursstudium begann er mit 30 auf Lehramt zu studieren und unterrichtete später evangelische Religion und Elektrotechnik an der Berufsschule. Franz trägt ausnahmslos Lederhosen. Eine Hirschlederne halte bei täglichem Gebrauch etwa fünf Jahre, die Ziege länger: „Da drückt nix und man ist immer richtig angezogen.“ Zudem sei der Wiedererkennungswert sehr hoch („Ich bin a Rampensau“).

Das erste Date: Soraya war mit einer Freundin auf einer „faden Party“, sie wollte gerade gehen, als ein Bayer in Lederhosen mit seinem Dackel hereinkam. Er fragte: „Wer bist’n du?“ Sie: „Soraya.“ Er: „Und ich bin der Schah von Persien.“ Soraya fand das gar nicht lustig. Dafür habe sich Dackel Susi gleich auf ihren Schoß gesetzt, sagt Franz. So kamen sie ins Gespräch. „Und das sind wir bis heute“, sagt Soraya.

Die Hochzeit: Während er in Fürth sein Referendariat absolvierte („Mein Auslandsjahr in Franken“), wohnte sie in seiner Schwabinger Wohnung. An den Wochenenden redeten sie oft nächtelang. Irgendwann sagte er: „Das Beste wäre doch, wir heiraten.“ Doch das Beste ist nicht immer das Einfachste. Da sie Muslima ist, hätte er eigentlich zum Islam übertreten müssen. – als evangelischer Religionslehrer konnte er das aber nicht. Zudem brauchte Soraya als iranische Staatsbürgerin die Einwilligung der Mutter und die des iranischen Konsulats. Mit Sondergenehmigung kam es nach langem Hickhack schließlich doch zur kirchlichen Hochzeit. Sie im Dirndl, er in Lederhosen. Dazu Blasmusik und Volkstanz.

Der Alltag: Seit Neustem arbeitet Soraya Tür an Tür mit ihrer Tochter, die wissenschaftliche Mitarbeiterin in ihrem Fachbereich ist. Sie steht um 7 Uhr auf und kommt nie vor 19 Uhr nach Hause. Franz übt dagegen auch mal bis spät in die Nacht Gitarre und kommt dafür morgens nicht vor 10 Uhr aus dem Bett. Dann erledigt er „dies und jenes“, kocht und wartet auf seine Frau („Wenn sie dann nicht kommt, hängt mir der Kopf zwischen den Knien“).

Wie finden Sie Merkel? Eigentlich könne man nur mit Sprachlosigkeit antworten, sagt Franz und findet doch sofort Worte: „Was ich ihr nicht verzeihe, ist die Enthaltung beim Thema Genmais in der EU.“ Soraya: „Schon erstaunlich, wie sie sich als Frau durchsetzt. Oder besser: wie sie alles aussitzt.“

Wann sind Sie glücklich? Franz: „Wenn nachts ihr Kopf an meiner Schulter lehnt.“ Soraya empfindet es als großes Glück, ihre Kinder zu sehen – persönlich und in ihrer Entwicklung.

Nächstes Mal treffen wir Mike Schürer in Hoppegarten-Hönow. Sie wollen auch einmal besucht werden? Mailen Sie an hausbesuch@taz.de