Die verdeckten Verhinderer der Koalition

SPD und Union wollen, dass der nichtöffentlich tagende Verteidigungsausschuss die Misshandlungsvorwürfe von Murat Kurnaz untersucht. Linke: Das ist Blockade! Dem Deutschen Zammar droht die Todesstrafe in Syrien

VON DOMINIK SCHOTTNER

Die große Koalition inszeniert sich als großer Aufklärer – allerdings lieber im Geheimen. Gestern haben SPD und Union beschlossen, den nichtöffentlich tagenden Verteidigungsausschuss mit der Untersuchung der Vorwürfe des Bremer Türken Murat Kurnaz zu beauftragen. Als einziger Ausschuss des Bundestages kann er dazu gemäß Artikel 45 a des Grundgesetzes in einen Untersuchungsausschuss umgewandelt werden. FDP und Grüne unterstützen das Vorhaben. Nur die Linkspartei möchte, dass der Fall im bereits eingerichteten 1. Untersuchungsausschuss geklärt wird. Sie fürchtet, dass durch die nichtöffentlichen Sitzungen des Verteidigungsausschusses die Aufklärung weiter verzögert wird. Der Grünen-Abgeordnete Winfried Nachtwei sagte der taz, der Ausschuss könne sehr wohl bis zu viermal öffentlich tagen.

Der 24-jährige Murat Kurnaz wirft deutschen Soldaten vor, ihn in Afghanistan im Januar 2002 misshandelt zu haben. Das Verteidigungsministerium hat dafür bislang keine Beweise gefunden. Als Täter in Frage kommen nur Soldaten der Elite-Einheit Kommando Spezialkräfte (KSK), die damals das US-Gefangenenlager in Kandahar in Südafghanistan zeitweise bewacht haben. Einige der Soldaten sollen Kurnaz in dem Lager gesehen und verbalen Kontakt mit ihm gehabt haben, gab das Ministerium zu. Eine darüber verfasste Meldung schickten sie dann an das Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Potsdam. Warum die Leitung des Verteidigungsministeriums in Person des damaligen Ministers Rudolf Scharping (SPD) von dieser Meldung aber letztlich nichts mitbekommen hat, soll der Ausschuss nun klären. Die Koalitionsparteien wollen Murat Kurnaz und Exminister Scharping in dem Ausschuss befragen. Den werde man kommende Woche formell auf den Weg bringen, kündigte der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Bernd Siebert, an. Mit einem Abschlussbericht sei vor dem Frühjahr 2007 aber nicht zu rechnen.

Auch der bestehende BND-Untersuchungsausschuss werde hoffentlich im nächsten Frühjahr einen Bericht vorlegen, sagte SPD-Obmann Thomas Oppermann am Donnerstag am Rande einer Sitzung des Ausschusses. In dem Gremium, das unter anderem der Frage nachgeht, ob der Staat wissentlich seine Schutzpflicht für entführte Bürger verletzt hat, soll Kurnaz, unabhängig von seiner Vorladung in den Verteidigungsausschuss, ebenfalls aussagen. Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele forderte, dies rasch umzusetzen, „am besten noch im November“. FDP-Ausschussmitglied Max Stadler möchte Außenminister Steinmeier im Dezember vorladen. Den Vorwurf der Opposition, die SPD wolle Steinmeier durch eine spätere Vorladung schützen, wies Oppermann zurück: „Steinmeier braucht unseren Schutz nicht.“ Oppermann sagte, es gehe ihm darum, „Khaled El Masri zu rehabilitieren“. Daher werde man erst diesen Komplex abschließen, ehe man sich dem Fall Kurnaz widme. Auftrag des Ausschusses ist, die Entführung des Deutschen El Masri durch die CIA und die mögliche Verwicklung deutscher Geheimdienste zu klären. Der öffentliche Teil der gestrigen Sitzung brachte dazu wenig hervor.

Unterdessen ist bekannt geworden, dass dem Deutschen Mohammed Haydar Zammar in Syrien der Prozess gemacht wird. Zammar, der auch die syrische Staatsbürgerschaft besitzt, droht die Todesstrafe, sollte sich herausstellen, dass er Mitglied der staatsfeindlichen Muslim-Bruderschaft war. Der Grüne Ströbele forderte die Regierung auf, Zammar Rechtsbeistand zu gewähren und den Syrern „drastisch klarzumachen“, dass man die Todesstrafe nicht akzeptieren werde. Die Berliner Zeitung meldete, das Auswärtige Amt habe sich darum bereits bemüht, jedoch erfolglos. Syrien betrachtet Zammar als Syrer.