Verfolgungsjagd auf dem Parlamentsflur

Sicherheitskräfte des Bundestages beschatten Träger von T-Shirts mit Abbildungen von zertrümmerten Hakenkreuzen

BERLIN taz ■ Bitterkalt war es am Dienstagmorgen vor dem Nordeingang des Reichstags. Schattig, windig, ungemütlich. Einen Beamten der Bundestagsverwaltung hielt das aber nicht davon ab, den 19-jährigen Jens Gruschka indirekt dazu zu zwingen, sein T-Shirt zu wechseln. Der Grund: Auf Gruschkas T-Shirt war eine Faust zu sehen, die ein Hakenkreuz zertrümmert. Außerdem zeigte ein Aufnäher auf seiner Tasche ein Hakenkreuz, das von einem Strichmännchen in den Papierkorb geworfen wird. Hakenkreuze seien aber, so der Beamte, im Bundestag nicht erlaubt – egal, wie sie aussähen. Entweder müsse Gruschka das T-Shirt ausziehen, es verdeckt tragen oder draußen bleiben. Ende der Diskussion.

Der Beamte berief sich dabei auf eine Weisung des Bundestagsdirektors Hans-Joachim Stelzl, der seine Entscheidung mit Verweis auf die Hausordnung begründete. Danach muss die Ruhe, Würde und Ordnung des Hauses gewahrt werden. Der Beamte vor Ort führte zudem ein – noch nicht rechtskräftiges – Urteil des Landgerichts Stuttgart als Begründung an. Ende September hatte das Gericht den Punk-Versandhandel „Nix Gut“ wegen gewerbsmäßiger Verbreitung von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen zu einer Geldstrafe verurteilt. „Nix Gut“ hatte diverse Gegenstände mit durchgestrichenen Hakenkreuzen in seinem Sortiment – wie sie auch Jens Gruschka und zwei seiner Freunde am Dienstagmorgen trugen. Gruschka und seine Freunde sind Mitglied bei Solid, ein der Linkspartei nahestehender sozialistischer Jugendverband. Zwei der drei wollten am Dienstag an einem Planspiel im Plenarsaal des Bundestages teilnehmen. „Wir haben den Beamten vorgeschlagen, die T-Shirts nicht im Plenum zu tragen“, sagte Gruschka der taz, „aber sie haben nur gesagt, wir sollten unser ganzes Gepäck am Eingang lassen.“ Auch die zu Hilfe gerufene Parlamentarische Geschäftsführerin der Linksfraktion, Dagmar Enkelmann, konnte die Beamten nicht umstimmen. „Der Bundestag ist ein politisches Haus. Wieso sollte man da nicht politische Aussagen, zumal gegen Nazis, herumtragen?“, fragt sie sich: „Das ist ein Skandal.“

Weil selbst die Präsenz eines ARD-Fernsehteams und Enkelmanns nichts bewirken konnte, gaben Gruschka und sein Freund schließlich klein bei. Ihre Taschen und T-Shirts übergaben sie einem Freund. Der sollte sie in die Büros von Enkelmann und der Abgeordneten Nele Hirsch (Die Linke) bringen. Auf dem Weg dorthin wurde der Student, der nicht namentlich genannt werden möchte, dann von „zwei Beamten mit Walkie-Talkies“ verfolgt, sagte er der taz. Eine Mitarbeiterin von Hirsch, die der junge Mann auf dem Weg traf, bestätigt diese Aussage: „Wir haben einen Test gemacht. Die haben uns tatsächlich verfolgt.“ Auch Dagmar Enkelmann, die die zwei jungen Männer derweil in den Bundestag begleitete, sagte, dass sie verfolgt worden sei.

Enkelmann kündigte an, den Vorfall am Donnerstag im Ältestenrat des Bundestages anzusprechen. Ihre Kollegin Hirsch erwägt, die laufende Sitzungswoche dafür zu nutzen, Anti-Nazi-Symbole im Plenum zu präsentieren. DOMINIK SCHOTTNER