Die Googleisierung der Medien

Das Monopol des Internetriesen verändert zunehmend die Arbeitsweise von Journalist_innen

VON DOMINIK MAI

Wer im Internet nach Informationen sucht, der googelt: Über 90 Prozent der Suchanfragen in Deutschland laufen über den US-Konzern, der damit eine Vormachtstellung hat. Auch Journalist_innen nutzen Google für ihre Recherchen – und haben erkannt: Wer Google versteht, kann damit Geld verdienen.

Medienkonzerne müssen darauf achten, dass ihre Webinhalte bei Google möglichst schnell gefunden werden. Sie wollen ihre Zugriffszahlen steigern. Denn mehr Klicks bedeuten mehr Geld durch Werbeanzeigen. User_innen lesen eher Texte, die weit oben in der Trefferliste platziert sind. Deshalb setzen Medienhäuser auf Suchmaschinenoptimierung. SEO-Manager_innen („Search Engine Optimization“) analysieren komplexe mathematische Formeln, mit denen Google die Rangfolge der Treffer einer Suchanfrage festlegt. Sie entwickeln Methoden, die ihre Inhalte nach oben bringen.

Der Hype um das beste Ranking hat den Journalismus verändert. Denn Redakteure_innen können die Platzierung bei Google begünstigen, indem sie Worte gezielt einsetzen: „Ein oder mehrere Schlüsselbegriffe sollten bei Onlinetexten am Anfang der Überschrift, im Vorspann und mehrmals im Text stehen. Das zeigt Google, dass etwas wichtig ist“, sagt Andreas Schnurrer. Der 30-Jährige ist als SEO-Manager bei der Augsburger Allgemeinen dafür zuständig, dass Artikel der Regionalzeitung bei Suchmaschinen gut gefunden werden.

„Die Schlagworte ergeben sich aus den Suchanfragen bei Google“, sagt er. User_innen suchen vor allem nach Boulevardthemen. Google bestimmt, welche Nachrichten veröffentlicht werden. „Natürlich richten sich Redakteur_innen bei der Wahl ihrer Themen auch nach dem, was gesucht wird. Google hat eine Macht über die Medien“, so Schnurrer.

Ein einfacher Quellcode, ausführlich beschriftete Bilder und viele Verlinkungen von anderen Webseiten begünstigen eine gute Platzierung. Google beeinflusst so journalistische Beiträge im Netz. Beispielsweise die Struktur von Überschriften: Damit ein Text von vielen Leser_innen bei Google geklickt wird, sollte der Schlüsselbegriff im Idealfall das erste Wort der Überschrift sein.

Es geht nicht nur darum, die richtigen Schlagworte zu finden. „Wer schneller ist, ist wichtiger“, sagt Schnurrer. Ein Amoklauf, ein Anschlag oder ein Flugzeugabsturz: Blinkt eine Eilmeldung in den Onlineredaktionen auf, beginnt der Wettlauf um das beste Ranking. „Google bewertet einen Text viel höher, wenn noch niemand darüber berichtet hat“, sagt Schnurrer. Darunter leidet dann oft die journalistische Qualität, denn die Zeit für gründliche Recherche fehlt. Genau das bemängelt auch Albrecht Ude vom Netzwerk Recherche, das sich für investigativen Journalismus einsetzt.

Er kritisiert, dass sich Journalist_innen zu oft auf den Monopolisten Google verlassen. „Wer nur diese Suchmaschine verwendet, hat nur einen Blick auf die Wirklichkeit“, sagt er. Das, was bei Google nicht zu finden ist, scheine es nicht zu geben. Zu viele Journalist_innen würden Themen bereits verzerrt wahrnehmen, weil der Suchmaschinenmonopolist besonders viel oder wenig dazu findet. „Die Nachricht, die oben steht, muss nicht die wichtigste sein.“

Ude rät Journalist_innen, sich nicht komplett von Google abhängig zu machen, egal, ob beim Schreiben der Texte, bei der Wahl von Themen oder bei der Recherche. „Wichtig ist es, eine Mischung zu finden zwischen dem, was die User_innen lesen wollen, und dem, was Google interessiert“, sagt auch SEO-Manager Andreas Schnurrer. Die Qualität dürfe nicht ganz verloren gehen, denn dann würden die User_innen den Zeitungen ganz schnell den Rücken kehren.