Die Preisfrage

WIE BILLIG GEHT FAIR? Dass Kleinverdiener fair einkaufen können, ermöglichen Discounter. Dabei zählen aber die feinen Unterschiede

Es stimmt nicht, dass fair gehandelte Produkte teurer sein müssen als andere

VON VOLKER ENGELS

Wenn Multimillionäre den bewussten Konsum propagieren, der Mensch und Umwelt schont oder in postmaterialistischer Manier gar dazu aufrufen, komplett auf Luxusgüter zu verzichten, ist das keine große Kunst. „Beendet den ganzen Konsumismus“, wird die Designerin Vivienne Westwood zitiert, die dazu aufrief, „keine Kleider“ mehr zu kaufen, um etwas gegen den Klimawandel zu tun. Auch die Liste der Schauspieler, die ihr karges Einkommen mit Hauptrollen in Hollywoodstreifen aufbessern müssen, um Gutes zu tun, ist lang. Kurz: Bewusster Konsum ist nach wie vor in, Marktforscher und Industrie haben die Konsumenten mit sozialem oder ökologischem Anspruch als kaufkräftige Gruppe schon längst ins Visier genommen.

Während sich die als Lohas (Lifestyle of Health and Sustainability) beschriebene Konsumentengruppe ihren gesunden und nachhaltigen Lebensstil durchaus etwas kosten lässt, setzen die Lovos (Lifestyles of Voluntary Simplicity) auf einen bewussten Konsumverzicht, propagieren das „weniger ist mehr“. Weil solche Konsum-Ideologien schnell ein wenig unübersichtlich daherkommen, haben in den vergangenen Jahren diverse Autoren lehrreiche Bücher zum Thema unter das wissbegierige Volk gebracht. Bei allem Überbau stellt sich aber zunächst die Hauptfrage: Wer kann sich „guten“ Konsum überhaupt leisten?

Auch Verbraucher, denen weniger Geld zum Leben zur Verfügung steht, müssen auf fair gehandelte Produkte nicht verzichten: „Es stimmt nicht, dass fair gehandelte Produkte teurer sein müssen“, sagt Marktforscher Volkmar Lübke, der seit Jahren in repräsentativen Befragungen den Markt für fair gehandelte Produkte untersucht. „Wenn man gleichwertige Produkte wie zum Beispiel hochwertige Kaffees miteinander vergleicht, bewegen die sich in einer Preisspanne“, so der Lücke. Manche Produkte seinen sogar preiswerter. Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass nicht alleine die überdurchschnittlich Verdienenden mit einem Nettoeinkommen von mehr als 2.500 Euro den Verkauf fair gehandelter Produkte mit ihrer Wirtschaftskraft stützen: Auch 37 Prozent der Menschen mit einem Einkommen von unter 1.000 Euro im Monat greifen auf Siegelprodukte aus dem fairen Handel zurück. „In dieser Einkommensklasse bewegen sich aber auch viele Schüler oder Studenten, die in der Cafeteria oder Mensa in Berührung damit kommen“, so der Marktforscher, der eine aktuelle Verbraucherstudie für das „Forum Fairer Handel“ erstellt hat. Discounter, die zunehmend fair gehandelte Produkte in ihre Sortimente aufnehmen, seien dabei für den Markt „extrem wichtig“, weiß Lübke, der zugleich stellvertretender Vorsitzender von Transfair ist. „Man muss die Waren auch in den Regalen finden, jede Verkaufsstelle, die Siegelprodukte führt, ist für die Verbreitung dieser Produkte gut.“

Wenig Geld in der Tasche zu haben, und dann auch noch auf Produkte aus fairem Handel zurückzugreifen, ist allerdings jedermann Sache nicht: „Da wird ein unheimlicher Druck aufgebaut – auch auf Menschen, die wenig Geld haben“, sagt Elke Brüns, die den Internet-Blog Gespenst-der-Armut.de betreibt, der sich mit der Armutsdebatte in den Medien beschäftigt. „Arme müssen nicht nur mit wenig Geld auskommen, jetzt sollen auch noch politisch korrekt konsumieren“, so die promovierte Literaturwissenschaftlerin weiter. „Ich finde es bei dieser Debatte auch schwierig, dass hier zwei Formen von Armut gegeneinander ausgespielt werden.“

Weil die Produzenten unter fairen Arbeitsbedingungen herstellen, können sich die Konsumenten recht entspannt zurück lehnen: gekauft und dabei Gutes getan, die Nachtruhe ist gesichert. Bleibt das Problem, dass auch die Mitarbeiter hiesiger Unternehmen, die Produkte mit Fairness-Siegel in die deutschen Regale packen, nicht immer so bezahlt werden, dass vereinbarte Standards eingehalten werden. Da bleibt den Verbrauchern wohl nur der wache Blick auf den Handel, um schwarzen Schafe, die zum Beispiel vereinbarte Mindestlöhne konsequent umgehen, Überstunden nicht auszahlen oder Gewerkschaftsmitglieder gängeln, die rote Karte zu zeigen. Schließlich gibt es inzwischen genug Supermärkte, Welt- oder Bioläden, die Siegelprodukte verkaufen, die faire Arbeitsbedingungen nicht nur für die rund 1,2 Millionen Kleinbauern und Arbeiter in den Erzeugerländern, sondern auch für die eigenen Verkäufer garantieren.