schaut sich in den Galerien von Berlin um

MARCUS WOELLER

Es war ein bisschen wie damals, im Januar 1782, als Friedrich Schiller mit seinem Drama „Die Räuber“ die Theaterbühne stürmte und in die öffentliche Wahrnehmung drang. Leidenschaftlich und poetisch, aber auch vulgär und pathetisch. Jonathan Meese entlieh sich 216 Jahre später nicht nur den Titel für seine erste Einzelausstellung in der Galerie Contemporary Fine Arts. Eine Offenbarung! In der Gestalt explodierter Jugendzimmer kehrte er sein Inneres nach außen: ein installatives All-Over von Texten und Bildern, Zeichen und Zoten. Hier hatte ein Fetischist zugeschlagen, der sich aus Popkultur und Zeitgeschichte bediente, dass es einem schwindlig wurde. Ohne Rücksicht auf Befindlichkeiten und ohne Angst vor Peinlichkeiten katapultierte sich Meese auf die Bühne der Kunstszene und stilisierte sich in den nächsten Jahren zum Erzkünstler, gab den wilden Performer, die theatralische Kunstfigur, den ambivalenten Skandalierer, den zurückgezogenen Selbsterneuerer. Nun zeigt Contemporary Fine Arts zum ersten Mal seit sechs Jahren wieder eine Soloshow von Meese, die leider enttäuscht. Von der überbordenden Exaltiertheit ist wenig geblieben. Seine Wildheit ist in „Johnny Come Home“ eingezäumt in zwei Dutzend das menschliche (eben nicht mehr übermenschliche) Maß aufnehmende Rahmen. Die Figuren darin jonglieren zwar wie gewohnt mit Meese’schen Bedeutungseinheiten, doch wirken sie eher kalkuliert und dekorativ als herausfordernd. Es sind auch keine neue Arbeiten, stattdessen wurden hier ausschließlich Werke von 2006 aus dem Depot gezerrt. An die legendären frühen Jahre wird so nicht angeknüpft. (Bis 22. März, Di.–Sa., 10–18 Uhr, Am Kupfergraben 10)  In der Ausstellung „Hills Beyond the Backdrop“ bei Alexander Ochs Galleries Berlin Beijing präsentiert der junge chinesische Künstler Lu Song Gemälde aus dem letzten Jahr. In melancholisch-romantischen Bildern verwebt er Stadtansichten und Landschaften mit Traumsequenzen. Als ob die Malerei abschweifte von ihrer Materialität, verflüchtigt sich die Figuration in abstrakte Farbnebel. Manchmal fließen die Motive förmlich von der Leinwand und hinterlassen lange Farbnasen. Lu Song bezieht sich in dieser Serie auf den Text „Place“ der Künstlerkollegen Tacita Dean und Jeremy Millar über das Geheimnis des Ortes, der in der westlichen Kunstgeschichte immer wieder beschworen wird. Nicht nur in seinen Gemälden bleibt dieser Ort für Lu Song schwer bestimmbar, auch geografisch. Er liegt irgendwo zwischen Asien und Europa und ist offensichtlich in ständiger Bewegung. (Bis 8. März, Di.–Sa., 11–18 Uhr, Besselstr. 14)