Trapez statt Raute

Die Bundesliga vor dem Start (2): Werder Bremen. Sieben Antworten auf sieben Fragen von der Weser

Was bleibt von der WM? Bremen war vermutlich die einzige Stadt in Deutschland, die sich beharrlich der WM-Begeisterung verweigerte. Das Public Viewing auf dem Bahnhofsvorplatz? Ein Flop, die Tribünen wurden zur K.-o.-Runde abgebaut. Leinwände, Flachbildschirme in den Kneipen? Auf der Flaniermeile Schlachte stand ein einziger Fernseher. Die im Parkhotel untergebrachten Schweden? Wurden bestmöglich ignoriert. Nein, die seit jeher unterkühlte Hansestadt wollte partout nicht einstimmen in den überhitzten weltmeisterlichen Hype; auch weil das OK bei der Vergabe der zwölf WM-Arenen um das Weserstadion einen Bogen gemacht hatte. Und doch könnte Werder profitieren: Dann nämlich, wenn Klinsmanns Protagonisten Miroslav Klose, Torsten Frings und Tim Borowski auch nur annähernd ihre Turnierform für die Bundesliga zu konservieren wissen. Das aber ist ungewiss.

Wer sind die Stars? Natürlich die drei deutschen WM-Helden. Dazu bietet der Kader eine bunte Palette schriller und schräger Typen – so abwechslungsreich wie in der Saison 2006/2007 schienen die Gesichter der Grün-Weißen noch nie. Im Tor genießen der Stoiker Andreas Reinke und der Showman Tim Wiese (bei Fans und Trainer) ungefähr denselben Kredit, auf den Brasilianer Diego richten sich allein alle Blicke, weil er den an der Weser verehrten Johan Micoud ersetzen soll. Auch besonders beliebt: Ivan Klasnic, genannt der „Killer“, und Mohamed Zidan, in Mainz gereifter Ballvirtuose.

Was macht der Trainer? Thomas Schaaf, 45 Jahre, davon 34 bei Werder, kennt jeden und alles im Club. Bewahrt den Überblick, bemüht, den Ball flach zu halten. Verbales Vorpreschen ist seine Sache nicht – es sei denn, die Seinen blamieren sich so wie beim Trainingslager im österreichischen Schruns in den Testspielen gegen Piräus (0:4) und 1. FC Kaiserslautern (1:3). Sieht seine wichtigste Aufgabe darin, die Micoud-Lücke zu schließen, „mit ihm haben wir an Klasse eingebüßt“, sagt Schaaf. „Le chef“ hat schließlich den offensiven Werder-Stil, das schnelle und direkte Vorwärtsspiel, die kurzweiligen wie überraschenden Ballpassagen geprägt wie kein anderer. Er war die heimliche Werder-Seele – intern viel mehr anerkannt als extern vermutet.

Wie sieht die Taktik aus? Weil Micouds Haus am Atlantik früher fertig war als gedacht und Girondins Bordeaux noch in die Champions League rutschte, steht das Bremer 4:4:2-System vor einer Modifizierung. Die viel zitierte Raute im Mittelfeld könnte durch ein Trapez ersetzt werden; will heißen: Künftig sichern zwei defensive Mittelfeldspieler (Frank Baumann und Torsten Frings) ab, zwei offensivere spielen auf den Halbpositionen (Diego und Tim Borowski). So testete Werder zumindest in der Vorbereitung. Im Vorjahr wollte Schaaf auch schon so spielen – nur machte Monsieur Micoud da nicht mit.

Sind die Fans glücklich? Der Bremer Stadionbesucher ist treu – und verwöhnt. Torreicher Hurrastil in der Liga, tolle Triumphe und tränenreiche Tragödien im Europapokal. Im Weserstadion findet seit Jahren die kurzweiligste Unterhaltung der Republik statt – nur das Gros der Zuschauer weiß das gar nicht, weil sie nirgendwo anders Fußball schauen. Bei 25.000 Dauerkarten setzte der Verein wieder ein Stoppzeichen. Das Stadion ist zu klein geworden – die Ausbaupläne sind schon weit vorgedrungen.

Die Prognose: Nach 2004 (Meister), 2005 (Dritter) und 2006 (Zweiter) soll und muss erneut eine Top-Platzierung her, die zur Qualifikation für die Champions League reicht. Mindestens. „Wer dreimal in Folge in die Champions League einzieht, spielt auch um die Meisterschaft mit“, fordert Klubboss Jürgen L. Born. Überhaupt behaupteten viele, hinter Bayern steht gleich Bremen. Doch noch immer wirkt die defensive Stabilität nicht so groß, um Titel zu gewinnen. Aber zwischen Rang zwei und vier ist alles möglich. Der Kader ist mittlerweile in der Breite zu stark (und zu teuer), um weiter abzurutschen.

Der X-Faktor: War sechs Millionen Euro teuer, ist 21 Jahre alt und nur 1,74 Meter groß, hat einst beim Pele-Klub FC Santos gespielt. Werders Rekordtransfer Diego, zuvor beim FC Porto in Ungnade gefallen, soll in der Bundesliga eine große Nummer werden. Ein Filigrantechniker, ein Zauberer, einer für Schnörkel und Standards. Hört sich blöd an, könnte aber so kommen: Wohl und Wehe Werders hängt von dem Mann mit den weißen Schuhen ab. FRANK HELLMANN