siesta in berlin
: Zeit spielt keine Rolle mehr

Siesta – her damit. Eine Stadt quält sich durch 35 Grad heiße Nachmittage. Das muss nicht sein. Besser wäre es, die Leute würden sich verlängerte Mittagspausen im Schatten gönnen, die Zeitung lesen, vor sich hin dösen und die Welt Welt, Arbeit Arbeit, Streit Streit sein lassen. Denn wenn es heiß ist, bleibt nicht nur die Luft stehen, sondern auch die Zeit.

Ein Pro von WALTRAUD SCHWAB

Siesta ist Kultur. Das wird in Berlin noch nicht richtig verstanden. Deshalb gibt es nun eine nutzlose Diskussion, ob Siesta eingeführt werden soll. Dabei lässt sich Siesta nicht einführen, sie setzt sich allein durch. Auch in Berlin ist der schleichende Prozess der Siestisierung längst im Gang. Man erkennt es daran, dass sich einige Kolleginnen Wasser in den Ausschnitt schütten und zugucken, wie es trocknet. Andere können über Witze von vor fünf Jahren lachen, ohne erklären zu können, warum. Dritte wiederum meinen, sich mit Ventilator-Hamsterkäufen vor derartigen Defragmentierungen, die einzig der Hitze geschuldet sind, retten zu können.

Fakt ist, in den Büros ist zwischen 12 und 16 Uhr schon Siesta. Traurig nur, dass niemand es merkt. Anstatt die Hitze unter Bäumen zu genießen, wird dagegen mit etwas angekämpft, was Arbeit genannt wird. Vergeblich.

(Text geschrieben gegen 15 Uhr)