Sport-Opas für Millionen

Der ehemalige deutsche Topboxer Henry Maske kehrt zurück in den Ring. Zwar riskiert er seine Gesundheit erst im Januar 2007, aber etwas anderes hat er schon jetzt verloren: sein Ansehen

VON DOMINIK SCHOTTNER

Das Schlimmste, was Henry Maske bei seiner Rückkehr in den Ring im kommenden Januar anrichten kann, ist: einen Song komponieren zu lassen, zu dem er, der zweite deutsche Gentleman-Boxer nach Max Schmeling, im ebenfalls nur für diesen Anlass geschneiderten, gestalteten und später zu karitativen Zwecken verkauften Boxmantel in die Halle einläuft, im festen Glauben, dass es das letzte Mal sein wird. Das wäre das Schlimmste. Denn noch ein Lied von der Sorte „Time to say good-bye“ (oder gerne auch: „Conquest of paradise“) vertragen all die Abiturfeiern und Begräbnisse nicht, wo die zu erwartende Schmonzette wohl am ehesten gespielt würde.

Das Zweitschlimmste, was Maske den Zuschauern und sich, dem 42 Jahre alten Sport-Opa, antun könnte, wäre eine Niederlage. Maskes Gegner im Januar wird nämlich genau der sein, gegen den er vor zehn Jahren seinen letzten Kampf verloren hat, Virgil Hill aus den USA. Dessen Beruf: Sport-Opa. Sein Alter: 42. Also fast ein zweiter Maske, denkt man da schnell und gerät wieder in jene Euphorie, die 30 von 31 von Maskes Kämpfen einmal evozierten: „Der kann doch gar nicht verlieren!“, rief man und wartete auf dem heimeligen Sofa mit Bier und Chips im Anschlag darauf, dass Maske irgendwann die Fäuste gen Hallendach recken würde. Der Boxsport teilte sich damals das deutsche Fernsehen mit Formel 1 und Fußball, und Maske war daran nicht schuldlos. Manche sahen in dem gebürtigen Brandenburger sogar eine Art Pattex für die deutsche Wiedervereinigung, warum auch immer.

Letztere steht freilich nicht mehr auf dem Spiel, wenn Maske gegen Hill antritt. Dafür haben wir ja nun Angela Merkel (von der einige jedoch schon immer gedacht haben, sie würde demnächst zu Boden gehen). Was Maske aber vor allem riskiert, ist neben seiner Gesundheit sein Ansehen und auch so etwas Altmodisches wie seine Ehre. Als sich Virgil Hill im vergangenen Januar den WBA-Titel im Cruisergewicht erboxte, hat es Maske gepackt. Der Bild-Zeitung vertraute er an, beim Gucken des Kampfes habe er sich gedacht, „das kann doch nicht wahr sein. Der ist doch im selben Monat geboren wie du. Da begann das Grübeln. Es setzte ein Gefühl ein, was ich die ganzen neun Jahre nicht hatte.“ Das typische Gefühl, das Sportler auf dem Altenteil beschleicht. Die einen sehen ihre Nachfolger, die noch wendiger, noch schneller, noch besser sind als sie – und das weckt den Ehrgeiz der Zurückgetretenen.

Der US-Basketballer Michael Jordan war so ein Fall. Seiner glorreichen Zeit bei den Chicago Bulls folgte eine allerhöchstens gute bei den Washington Wizards, die zudem nicht einmal besonders gut bezahlt war. Andere, die vom Rücktritt zurücktreten, sehen sich als Retter ihrer Zunft – und scheitern dann an sich selber, siehe Zinedine Zidane.

Gefühlte neun von zehn Comeback-Versuchen enden also lächerlich, führen auf direktem Weg ins Krankenhaus oder werden schon vorher mit dermaßen viel Häme begleitet, dass der Ausgang letztlich egal ist. Der wahrscheinlichste aller Gründe für Maskes Comeback ist deswegen wohl das Preisgeld. 3 Millionen Euro soll der Boxer bekommen, sein Haus- und Hofsender RTL wird den einstigen Quotenlieferanten – bis zu 18 Millionen Zuschauer sahen Maskes Kämpfe – mit einem großen Spektakel noch einmal würdigen.

Auch Axel Schulz, der 37 Jahre alte „weiche Riese“, wird im kommenden November erstmals seit sieben Jahren wieder professionell zuschlagen. Dass er das aus rein sportlichen Gründen tun wird, ist zweierlei: schwer zu glauben und schwer zu widerlegen. Einer, der sowohl Maske als auch Schulz sehr gut kennt, ihr ehemaliger Manager Wilfried Sauerland, sieht aber wenig Sinn in den Comebacks. Der Welt am Sonntag sagte er: „Ich sehe diese Kämpfe als Fortsetzung des klamauken Promiboxens, bloß dass die Boxer diesmal die Promis sind.“ Maske habe wegen seiner vier gut laufenden Fast-Food-Restaurants ohnehin keine finanziellen Probleme. Dass Sauerland mit dem letzten Satz auf die Frage nach Axel Schulz’ Motiven antwortete, ist bezeichnend. Offensichtlich kann Schulz die 5 Millionen Euro für drei Kämpfe gut gebrauchen.

Und so wird der kommende Winter entweder einer der großen Comebacks oder der großen Niederlagen. Irgendwo dazwischen werden die Kämpfe mit großer Sicherheit nicht enden. Denn anders als Zidane, dessen Kopfstoß (der ja erst von einem bösen Italiener mit einer bösen Beleidigung von Zidanes Mutter provoziert wurde) einer streitbaren Karriere ein passendes Ende gesetzt hat, kann der Gentleman Maske sportlich nur verlieren.