„Die Regierung kommt unter Druck“

KARIKATURIST I Rico Schacherl, Schöpfer der „Madam & Eve“-Cartoons, erhofft den WM-Schub

■ zeichnet als „Rico“ zusammen mit dem US-Amerikaner Stephen Francis Südafrikas berühmtesten Comicstrip „Madam & Eve“, der während der WM auch in der taz erscheint. Er wurde 1966 in Linz, Österreich, geboren und wanderte im Alter von zwei Jahren nach Südafrika aus.

taz: Herr Schacherl, was bleibt von dieser WM für Südafrika?

Rico Schacherl: Verschiedene Dinge. Eines ist offensichtlich, also die Infrastruktur. Es hat Südafrika einen Schub gegeben, seine Infrastruktur zu erneuern, und natürlich haben wir jetzt wunderschöne Stadien – wobei wir uns noch überlegen müssen, was wir nach der WM mit ihnen machen. Und ich glaube, es bleibt etwas auf psychologischer Ebene. Es gibt einen Nationalstolz, weil wir uns selbst und der Welt bewiesen haben, dass wir dies tatsächlich schaffen. Manchmal haben Südafrikaner eine Art Minderwertigkeitskomplex, aber Gastgeber der WM zu sein hat bewiesen, dass Südafrikaner das sehr gut können.

Gibt es etwas, das Sie enttäuscht?

Nein, nicht wirklich, außer dass die Bafana Bafana ausgeschieden sind. Das war wohl eine große nationale Enttäuschung, aber auch irgendwie erwartbar. Ich glaube, es war ein größerer Erfolg, als wir hofften. Und wir dürfen nicht vergessen, dass Südafrika noch immer eine komische Mischung aus Erster und Dritter Welt ist. Das hinzukriegen ist eine ganz schöne Leistung. In Deutschland oder Frankreich ist es viel einfacher.

Viele Leute sprechen von „guten Vibes“ und einem neu gefundenen Einheitssinn in Südafrika. Wie nachhaltig wird das sein?

Na ja, die WM hat natürlich einen irgendwie künstlichen, festivalähnlichen Vibe geschaffen und einen Sinn von Einheit genährt. Wie lange das anhält, wenn das reale Leben wieder anfängt und wir wieder an die Arbeit müssen in einer Welt, in der das ökonomische Klima immer noch ziemlich finster ist, das kann ich nicht wirklich sagen. Aber ich kann sagen, dass es uns einen sehr guten Schub gegeben hat. Und es hat Standards gesetzt, die die Regierung unter massiven Druck setzen werden. Wenn wir unter dem Druck der Fifa-Bedingungen all diese wunderbaren Dinge hinstellen können und Sachen funktionieren – warum dauert es dann so lange, zum Beispiel eine neue Schule zu bauen? Also glaube ich, dass die Erwartungen der Menschen jetzt um einiges steigen. Es wird wahrscheinlich eine Ernüchterung geben: Die Party ist vorbei, jetzt fängt das wirkliche Leben wieder an.

Dass es eine Ernüchterung gibt, ist wohl unvermeidlich. Was werden dann aber die größten Herausforderungen sein, nachdem am Sonntag der Vorhang fällt?

Wir gehen im Grunde an den Punkt zurück, an dem wir vorher waren. Die größte Herausforderung ist immer noch, das Leben der Bevölkerungsmehrheit zu verbessern. Das ist eine soziale und ökonomische Herausforderung. Das hat sich nicht grundsätzlich geändert. Viele der Vorzüge der WM – als Sportereignis, also abgesehen vom gefühlsmäßigen Stolz und gewissen ökonomischen Verbesserungen auf dem Arbeitsmarkt, sondern physisch die WM mitzuerleben – erreichen vor allem die Mittelklasse und die etablierten Stadtgebiete. Südafrikas Realitäten sind vor und nach der WM dieselben. Es war ein tolles Ereignis, ein toller Schub für das nationale Selbstvertrauen; jetzt geht es an die Arbeit. INTERVIEW: ELENA BEIS