Brigitte Werneburg schaut sich in den Galerien von Berlin um

Steht man rund 10 Meter von dem weißen Kubus mit 2,20 Meter Kantenlänge entfernt, laden seine vier offenstehenden Seiten den Betrachter ein, näherzukommen und einzutreten. Doch sobald man der Einladung folgt, ziehen sich die Seitenteile zurück, bis man vor einer hermetisch geschlossenen Box steht. So jedenfalls funktioniert „The Shy Room“ von Jenny Brockmann in der Theorie. In der Praxis ist in der Galerie Gerken zu wenig Platz für diesen Vorgang. Doch das ist kein Schaden. Denn die Perfektion der späten Rebecca Horn verlockt deren Meisterschülerin Brockmann ein wenig zu sehr. Jetzt befindet sich der „Shy Room“ im Stadium des Experiments und es ist viel spannender, als in der Theorie zu erforschen, welche meiner Bewegungen seine Torschlusspanik wirklich auslöst.

Nicht weit von der Auguststraße entfernt dagegen brechen die 12 Mitglieder der Initiative Edge of Arabia aus dem Raum scheuer Zurückhaltung aus, in dem sie Ärzte, Soldaten, Studenten oder Prinzessinnen sind. Um die ihnen in Saudi Arabien verwehrte Anerkennung als Künstler zu erfahren, suchen sie die internationale Bühne. Tatsächlich erweist sich „Grey Borders/Grey Frontiers“, ihre anlässlich der 6. Berlin Biennale präsentierte Ausstellung, als sehenswerter, wenngleich etwas bemühter State of the Art. Beispielhaft dafür ist Jowhara AlSaud. Sie unterläuft das Verbot, Bilder aus der Herrscherfamilie zu veröffentlichen, indem sie private Schnappschüsse in Zeichnungen überträgt und die Gesichter leer lässt. Doch die Irritation verpufft. Denn der konzeptuelle Ansatz wird durch die Szenen selbst Lügen gestraft. Die Bilder vom Scheich, der eine SMS schreibt, oder den Freundinnen, die in die Kamera schauen, sind zu belanglos, um nicht von vornherein zensiert zu sein. Mit „Out of Line“ spielt AlSaud, um eine Theatermetapher zu gebrauchen, nur für die Galerie.

■ Bis 2. Juli, Jenny Brockmann, Galerie Gerken, Di.–Sa. 12–18 Uhr, Auguststr. 49 ■ Bis 18. Juli, Edge of Arabia, „Grey Borders/Grey Frontiers“, Di.–So. 11–18 Uhr, Torstr. 1