SPIELPLÄTZE (12)
: In der Ferne ein Kreischen

FUSSBALLGUCKEN Deutschland gegen Ghana auf der Ghanastraße in Wedding

Ort: Die Ghanastraße im Wedding (Bezirk Mitte). Liegt im Afrikanischen Viertel und in der Einflugschneise des Flughafens Tegel.

Sicht: Die Sicht auf Flugzeuge ist hervorragend.

Kompetenz: Wozu?

Nationalismus: ausgeprägt und 100 Prozent schwarz-rot-gold

Wurst: Muss man mitbringen.

Die Ghanastraße geht von der Swakopmunder ab und mündet nach einer U-Kurve wieder in sie hinein. Die Häuser sind dreistöckig, kastig, beflaggt – alle in Schwarz-Rot-Gold. Es gibt Autos und halbhohe Bäume. Sonst nichts. Kein Kiosk, keine Kneipe, keine Bank zum Ausruhen. Ein Spatz landet auf dem Trottoir. Ein Flugzeug fliegt über die Häuser. In der Ferne ein Kreischen.

Die Ghanastraße liegt in der Friedrich-Ebert-Siedlung. Die 50er-Jahre-Häuser sind angegraut. Vor dem Block 15-17-19-21 ist ein vertrockneter Rasen. Eine Elster jagt einen Vogel aus dem Gestrüpp um die Müllcontainerstation. Elegant breitet sie beim Anflug ihr Gefieder aus. Noch ein Flugzeug. Eine Vuvuzela. Sonst nichts. Halt, doch: Eine Frau, grün gefärbte Haare, hastet die Straße entlang. Eine Frage, bitte? „Nein, nein, ich will noch was sehen vom Spiel.“ Jemand ruft: „Telefon.“ Sonst nichts.

Hier, wo niemand ist, nur die verdichtete Spannung der Menschen hinter den Mauern, da wäre doch Zeit. Für eine Idee. Für einen Gedanken, der die Welt rettet. Aber nichts. Nur trockener Rasen. Ein Flugzeug. Ein Vogel.

Eine grauhaarige Frau in rosa T-Shirt und mit Damenbart kommt auf einer Krücke aus dem Haus. Wacklig trägt sie eine Mülltüte zum Container. Eine Frage bitte? Interessiert Sie Fußball? „Ich habe zwei Söhne, da muss man mitreden können“, sagt sie. „Ich hab Sie schon gesehen. Ich dachte: Was macht sie da? Ist sie verletzt?“ Nein, alles in Ordnung, aber wie finden Sie in der Ghanastraße, dass Deutschland gegen Ghana spielt? „Ich wohne schon 50 Jahre hier. Da waren die Häuser neu. Die Straße ist eingeweiht worden mit echten Ghanesen. Heute sagt man Ghanaer, aber wir sagten Ghanesen. Das war eine Sensation damals, ein Schwarzer.“ Warum gibt es in der Ghanastraße keine Ghanafahne? „Warum? Hier wohnen ja viele Ausländer. Ob die aus Ghana sind oder Timbuktu, ist mir gleich. Aber wissense wat, ich wusste gar nicht, dass die Ghanesen so gut Fußball spielen.“

Den Rest ihres Lebens erzählt sie auch. Der Mann, 25 Jahre tot. „Ich hab keinen neuen gesucht.“ Und: „Früher gab es noch Nachbarschaft.“ Sie bedankt sich: „Das war ein schönes Gespräch.“

Zurück auf dem Rasen wieder Vögel, Flugzeuge. Dann ein Aufschrei. Getröte. Die Frau auf Krücken kommt aus dem Haus. „Ein Tor“, sagt sie. Und: „Ich weiß auch nicht, wieso das mit dem Straßennamen so ist. Swakopmund ist auch so ein afrikanischer Staat.“ Eine schwarze Katze setzt sich auf den Bürgersteig. Putzt sich. Waltraud Schwab