Südafrikas Verlierer mucken auf

PROTEST 16-Stunden-Schicht im Stehen, ohne Rechte, am Schluss 20 Euro: der Alltag der privaten Ordner, deren Unmut die WM erschüttert

■  Die Tarifverhandlungen zwischen Südafrikas Bergbau- und Metallarbeitergewerkschaften und dem staatlichen Strommonopolisten Eskom dauerten gestern an. Sollten die Gespräche vor der staatlichen Schiedsstelle CCMA scheitern, droht ein Streik, der die gesamte Stromversorgung des Landes und damit auch die WM lahmlegen könnte. Die Gewerkschaften fordern 18 Prozent mehr Lohn, Eskom hat sein Angebot von 5,5 auf 7 Prozent erhöht. Eskom hat im Finanzjahr 2009/2010 umgerechnet 400 Millionen Euro Profit gemacht. Überschattet wurden die Gespräche gestern von der Meldung, dass der neuernannte Eskom-Geschäftsführer Brian Danes und andere Manager deswegen diesen Monat Bonuszahlungen von umgerechnet 1 Million Euro einstreichen sollen. Wegen des unerwartet heftigen Wintereinbruchs, mit Schneestürmen am Kap und Minustemperaturen, ist es umso wichtiger, dass Südafrikas größtenteils aus Kohlekraftwerken gewonnene Stromversorgung gewährleistet bleibt.

AUS KAPSTADT ELENA BEIS

Acht Uhr früh in Kapstadt. Die eigens für die WM angeheuerten privaten Sicherheitswärter erscheinen pünktlich am Stadion – nur um herauszufinden, dass sie ihre Jacken und Namensschilder abgeben und wieder nach Hause gehen sollen. Am Vorabend haben sie unmittelbar vor dem Spiel gestreikt und damit Stadtverwaltung und WM-Organisatoren in Panik versetzt. Hunderte Polizisten sorgen ab jetzt an ihrer Stelle für Sicherheit.

Eine Stunde später ist es still um das Kapstädter Stadion. Nur ein paar wenige Ordner stehen an diesem sonnigen Tag noch vereinzelt da und bewachen den Fußgängerbereich. Wenn man sie über den Streik fragt, möchten die meisten nicht darüber sprechen, und wenn, dann nur anonym, denn sonst könnte womöglich bald auch ihr Job auf dem Spiel stehen.

Auslöser für den Unmut sind die schlechten, schlecht kommunizierten und täglich willkürlich neu festgelegten Löhne vieler Wärter, die im Auftrag des WM-Organisationskomitees von der Sicherheitsfirma Stallion engagiert wurden. „Am ersten Tag haben wir 135 Rand (14 Euro) erhalten, am zweiten 205, am dritten 190 und am vierten wieder 205“, bestätigen mehrere. Mbhalathi aus Durban beschwert sich: „Sie schauen einfach in unser Gesicht und entscheiden anhand dessen, was wir am Abend bekommen.“

Einige behaupten sogar, ihnen seien ursprünglich Tagessätze von 1.200 oder 1.500 Rand (120–150 Euro) versprochen worden. Teboho Lehlokoe von „Stallion Security“ kontert allerdings gleich, seine Firma hätte den Wärtern niemals solche Versprechungen gemacht: „Wir sind davon überzeugt, dass diese Wärter von konkurrierenden Sicherheitsfirmen, die die Ausschreibung verloren haben, in die Irre geführt worden sind, was ihre Löhne angeht.“ Tatsächlich scheinen Versprechungen von 1.500 Rand am Tag etwas hoch gegriffen. Ein Sicherheitsbeamter verdient in Südafrika normalerweise zwischen 800 und 3.000 Rand (80–300 Euro) – im Monat. Der gesetzlich festgelegte Mindestlohn für einen Wachmann liegt bei elf Rand pro Stunde – 15 bei besonderen Events wie der Weltmeisterschaft.

Verträge ohne Gehalt

Mehrere Arbeiter von „Stallion Security“ behaupten allerdings, dass sie nicht einmal Verträge bekommen hätten oder nur welche ohne Gehaltsangabe. Thandi Dladla aus Orange Farm sagt: „Stallion hat die Zeile mit dem Geldbetrag einfach offen gelassen. Ein paar von uns haben das unterschrieben, und ein paar haben sich geweigert.“ Ihr Kollege Michael Mosegathele ergänzt: „Die haben uns gesagt, dass sie erst herausfinden müssen, wie viel Fifa ihnen bezahlt.“ Man habe mündlich den doppelten Tageslohn versprochen. „Ich bin auf eigene Kosten zur Schule gegangen und habe mich extra für dieses Event ausbilden lassen.“

Portia Mabalizela wiederum erzählt, sie hätte aufgehört, für ihre ursprüngliche Sicherheitsfirma zu arbeiten, weil ihr bei Stallion mehr Geld versprochen worden sei. Andere Arbeiter geben an, 1.200 Rand aus der eigenen Tasche für ihre Uniformen gezahlt zu haben. Eine Unsumme, wenn man bedenkt, dass sie danach für einen 12- bis 16-Stunden-Tag durchschnittlich 190 Rand ausgezahlt bekommen. Entgegen anders lautender Versprechungen erhielten sie auch kein Mittagsgeld, ein paar haben nachts auf den Parkbänken um das Stadion übernachtet, weil sie kein Geld für die Fahrkosten nach Hause hatten.

Einzelne erzählen: Sie seien zwar seit Mitte Mai im Einsatz, wurden aber immer noch nicht bezahlt. Anscheinend sollen sie erst Ende Juni ihre Löhne erhalten. Ein Kapstädter Wärter, der aus Angst, seinen Job zu verlieren, seinen Namen nicht preisgeben will, resümiert: „Wir sind nicht zufrieden, weil wir weder für unser Training noch für unsere Transportkosten zur Arbeit, noch für unser Essen bezahlt worden sind.“ Sein Arbeitsnachbar fällt ein: „Wenn du vergisst, dein Essen mit zur Arbeit zu bringen, hast du 16 Stunden lang nichts zu essen.“

Während der gewinnbringendsten WM in der Fifa-Geschichte sollen also, wenn man diesen Berichten Glauben schenkt, Menschen für Sicherheit sorgen, die 16-Stunden-Schichten im Stehen absolvieren, ohne jegliche Verträge, Sicherheiten und Rechte, ohne zu wissen, was sie für ihre Dienste verdienen, und die in einigen Fällen offenbar für die teuren Uniformen und Ausbildung selbst aufkommen – und in einigen Fällen weder Verpflegung noch Obdach haben. Ein Debakel für die WM.

Die Gewerkschaft Satawu (South African Trade and Allied Workers Union) macht dafür Fifa und das lokale WM-Organisationskomitee verantwortlich. „Sie haben bei der Ausschreibung organisierte und legal handelnde Unternehmen ignoriert und aus Profitinteresse Dienstleister eingesetzt, die nicht im Einklang mit dem Gesetz operieren. Das stellt eine Attacke gegen unsere arme Arbeiterklasse dar.“

Die Sicherheitswächter sind nicht die einzigen, die sich beschweren. Auch Arbeiter in anderen Bereichen machen ihrer Enttäuschung über diese WM Luft. Streiks gab es nicht nur in Kapstadt, sondern auch in Durban und Johannesburg. Die Polizei will nichts riskieren. Seit Dienstag werden alle Stadien in diesen Städten von der Polizei bewacht, die Ordner sollen zu Hause bleiben. Nicht alle tun das. Manche demonstrieren, vor allem in Durban. Vor dem dortigen Stadion wurde am Mittwoch die Polizeipräsenz noch einmal verstärkt, nachdem Tausende von Menschen in der Stadt auf die Straße gegangen waren.

„Sie schauen in unser Gesicht und entscheiden anhand dessen, was wir bekommen“

Mbhalathi, ein Wachmann
Busfahrer im Ausstand

Bis gestern war für den Streit in Durban noch immer keine Lösung in Sicht. Stattdessen wurden die Angestellten der privaten Sicherheitsfirma Stallion entlassen. Nicht nur sie, sondern auch Busfahrer, die einen Shuttledienst für WM-Fans zum Stadion leisten, befinden sich im Ausstand. Verhandlungen zwischen Stallion und dem südafrikanischen WM-Organisationskomitee sind nach Angaben von Satawu-Generalsekretär Zenzo Mahlangu festgefahren.

„Wir finden, dass weder das Organisationskomitee noch Fifa diese Sache auf die leichte Schulter nehmen sollten“, sagte Mahlangu. „Sie sind schließlich für dieses Fiasko verantwortlich.“ Auch wenn viele der betroffenen Arbeiter gar keine Mitglieder seiner Gewerkschaft seien, hätte Satawu an den Gesprächen beteiligt sein müssen. Stallion habe unausgebildete Kräfte eingestellt. Es sei nicht auszuschließen, dass sich darunter auch „kriminelle Elemente“ befanden.

Immerhin hat sich Südafrikas Arbeitsministerium jetzt bereit erklärt, die Arbeitsbedingungen in den WM-Stadien zu überprüfen. Dies gab Satawu gestern Nachmittag bekannt.

Mitarbeit: Goodman Majola, Durban