Zwölf Freunde müsst ihr sein

Passend zur WM-Begeisterung in der Stadt werden in einer Reihe von Ausstellungen Bilder zum Fußball gezeigt. Oft liegt der Schwerpunkt auf Künstlerinnen, die etwas Unordnung ins Spiel bringen – oder eine pathetisch choreografierte Körperästhetik

Reizt die Kunst das Thema aus? Oder dockt sie nutznießend beim Fußball an?

VON BRIGITTE WERNEBURG

Los Angeles 1992. Ausgerechnet hier bin ich über meine Französischkenntnisse froh und darüber, dass ich ungefähr auf dem Laufenden bin, was die Bundesliga betrifft. Es ist „Senegalese Night“, Party, und wie mir versichert wurde, sind sämtliche in L.A. lebenden Senegalesen anwesend, eine zugegebenermaßen bescheidene Gruppe von rund 200 Leuten.

Die großen, schlanken Frauen, unerreicht elegant gekleidete, unnahbare Prinzessinnen, sind von einschüchternder Wirkung. Aber völlig überrascht bin ich von den Männern, die interessiert die Bundesliga, über die auch sie – für mich völlig schleierhaft – bestens informiert sind. So bin ich der Star, der Weltmeister. Aus München, eigentlich ja direkt vom FC Bayern. Es ist unglaublich. Hollywood existiert nicht und hat nie existiert.

Die Frage, ob es mit der kulturellen Vormachtstellung Amerikas wirklich so weit her ist, geht mir durch den Kopf, während ich mich im Glanz der Aufmerksamkeit sonne. Und sollte ich mein Freizeitverhalten ändern? Allgemeiner gesagt, sollten Frauen, die was vom Leben haben wollen, statt ins Kino nicht besser in die Arena gehen?

Die Frauen, die Zohreh Soleimani 1997 fotografierte, sind eindeutig dieser Ansicht. Denn gegen den Widerstand der Polizei haben sie sich anlässlich der WM-Qualifikation des iranischen Teams den Zugang in das ihnen sonst verbotene Teheraner Azadi-Stadion erkämpft. Die viel publizierten Bilder der siegreichen Frauen, deren hartgesottenes Fantum trotz Schleier und schwarzem Schador offen und nackt zu Tage tritt, sind im ARD-Hauptstadtstudio zu sehen. Kuratiert von Judith Metz, geht es dort einer internationalen Mannschaft von 11 Künstlerinnen um Fußball aus weiblicher Sicht: „3 x F – Frauen Fußball Fotografie“.

Die Fotografinnen machen ihre Tore gerne aus der Abseitsposition: Carla Åhlander etwa hat sich nach dem Spiel um das Berliner Olympiastadion herumgetrieben und die männlichen Fans fotografiert, die sich jetzt erleichtern. Sie sehen ziemlich komisch aus und ein bisschen desolat, diese Waldschrate, wie sie, behindert von Schals, Hüten und Fahnen, ins Gebüsch pissen. Noch melancholischer wird es bei Marcella Müllers Landschaftsfotografie, deren Motiv verlassene Fußballfelder in der Provinz sind. Daniela Finkes Fußballerinnen von Turbine Potsdam sehen in ihren digital erzeugten Fotogemälden so wuchtig, stark und professionell aus, als läge das Emanzipationsprojekt Frauen und Fußball schon hundert Jahre hinter uns, als wären wir von Anfang an dabei gewesen. Was Gloria Zein noch einmal toppt, indem sie das Thema Frau und Fußball schon 3.000 Jahre früher entdeckt und den Trojanischen Krieg als Fußballmatch um die Trophäe Helena konzipiert.

Könnte die Dame im roten Cocktailkleid, deren „Nachttischgeheimnisse“ Thomas M. Müller in seinem Siebdruck aufdeckt, womöglich Helena heißen? Sie sitzt auf ihrem Bett, blickt in die offene Nachttischschublade und verfolgt mit sichtlichem Vergnügen ein darin stattfindendes Fußballspiel. Auch Julie August partizipiert mit ihrer Wohnungsgalerie „18m Galerie für Zahlenwerte“, die nur einmal im Monat, nämlich am 18., natürlich ab 18 Uhr öffnet, am Fußballfieber. Mit dem konzeptuellen Ansatz von Claudia von Funckes „Ecke“, mit Fotografie, Video, Auflagenobjekten und der Langzeitbeobachtung der fiktiven Futbal Asocio de Ventejo durch Diana Wesser, hat August ihre Mannschaft nicht ganz regelgerecht auf zwölf Positionen aufgestellt. Kein Wunder, dass es also gleich „1:0 Kunst – Fußball“ heißt.

Ist dieses Ergebnis tatsächlich gerechtfertigt? Reizt die Kunst ihr Thema wirklich aus? Oder dockt sie nach dem Motto „Gelegenheit macht Diebe“ nur nutznießend an? In dieser Frage scheint es eher unentschieden zu stehen. „Unter Spielern“, Regina Schmekens Einzelausstellung im Museum für Fotografie, lässt einen jedenfalls relativ ratlos zurück. Die vielfach preisgekrönte Leiterin der Fotoredaktion der Süddeutschen Zeitung versucht in ihren großformatigen, exquisit entwickelten Schwarzweißabzügen die Pathosformel des Sports als Balance des Körpers zwischen Bewegung und Stillstand zu definieren.

Der fraglos eindrucksvolle Bilderbogen aus rund 30 Arbeiten, den sie im Kaisersaal aufspannt, zeigt das Fußballerbein im Kampf um den Ball, den Tänzerkörper als paradox schwebenden Klumpen am Boden und den nach vorne drängenden, stoßbereiten Fechterarm – und eine unüberbrückbare intellektuelle Distanz zum Sport. Dass ein Fechtkampf als tänzerischer Pas de deux gesehen werden kann und ein Fußballspiel als Choreografie, ist eine wenig überraschende Idee. Daran ändern auch die – einzeln betrachtet – beachtlichen Fotografien nichts, die allzu sehr von der Analogie des Oberflächeneindrucks leben. Deshalb verschmelzen sie auch so schön zu einem organischen Fries, wie in Besprechungen gelobt wurde. Doch das ist rückwärts gewandt: zu viel Dunkelkammer, zu viel Black Box – zu wenig Arena. Es fehlt die interessante, wissenswerte Aussage, die Reklamation eines ernsthaften kulturellen Mitspracherechts.

3 x F – Frauen Fußball Fotografie“, bis 2. Juli, Do./Fr. 17–20 Uhr, Sa. 15–18 Uhr, ARD-Hauptstadtstudio, Wilhelmstr. 67a„1:0 Kunst – Fußball, am 18. 6., ab 18 Uhr, 18m Galerie für Zahlenwerte, Akazienstraße 30 (u. n. Vereinbarung, www.18m-galerie.de)Regina Schmeken, bis 30. Juli, Di.–So. 10–18, Do. 10–22 Uhr, Museum für Fotografie, Jebensstr. 2