Kirchenland in Junkerhand

BIO Die Synode der Evangelischen Kirche tagt am Montag zur nachhaltigen Landwirtschaft. Doch wie vergibt sie eigentlich ihre eigenen Flächen?

AUS HAUSEN JOST MAURIN

Eigentlich macht Landwirt Ralf Demmerle alles richtig. Auf seinem Hof im thüringischen Dorf Hausen baut er fünf unterschiedliche Fruchtarten an, alles bio, also ohne chemisch-synthetische Pestizide und Dünger. Rinder, Schweine und Wasserbüffel haben das ganze Jahr über Auslauf. Der Hof hat sogar ein Tagungshaus für Schulklassen, denen Demmerle zeigt, wie Landwirtschaft funktioniert.

Der Bauer erreicht all das, was die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) schon 2003 in einem „Diskussionsbeitrag“ genannten Papier von der EU-Agrarpolitik gefordert hat. Zum Beispiel die „schonende Nutzung von Boden und Wasser“, den „verantwortlichen Umgang mit den Tieren“ und die „Aufrechterhaltung einer an die ländlichen Räume angepassten Siedlungsstruktur“. Doch wenn Demmerle von der Kirche Land pachten will, damit er mehr als wie bisher nur zwölf Schweine halten kann, lässt sie seinen 60-Hektar-Hof regelmäßig leer ausgehen – zugunsten riesiger Nachfolgebetriebe von DDR-Agrarfabriken mit 5.000 Hektar Fläche, die chemielastigen Ackerbau und Massentierhaltung betreiben, deren Schweine nie an die frische Luft kommen, sondern ihr kurzes Leben in engen Buchten mit Spaltenböden fristen.

„Obwohl ich immer 40 bis 200 Prozent mehr als den ortsüblichen Pachtpreis geboten habe“, sagt Demmerle. „Wir sind sehr enttäuscht.“ Mehrere Biobauern haben bei der Recherche zu diesem Artikel von ähnlichen Erfahrungen berichtet.

Keine genauen Zahlen

Die evangelische Kirche ist einer der größten Landeigentümer in Deutschland. Genaue Zahlen gibt es wegen ihrer dezentralen Organisation nicht. Die Agrarwissenschaftler Hans Kögl und Lars Fiedler haben aber etwa auf Grundlage amtlicher Statistiken geschätzt, dass sie an die 330.000 Hektar besitzt – mehr, als der katholischen Kirche gehören. Das entspricht zwar kaum einem Prozent der gesamten Agrar- und Waldfläche in Deutschland, ist jedoch genug, um mit diesen Grundstücken ein politisches Zeichen zu setzen, welche Art von Landwirtschaft die Kirche unterstützt – und welche nicht.

In Entwicklungsländern setzt sich die Kirche klar für Kleinbauern ein. So auch bei der Tagung des EKD-Parlaments, ihrer Synode, die am Montag in Düsseldorf über das Thema „Es ist genug für alle da – Welternährung und nachhaltige Landwirtschaft“ diskutiert. Nach solchen Grundsätzen solle die Kirche auch zu Hause handeln, verlangen Demmerle und sein Bauernverband, die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. „Wir wollen, weil wir biologisch arbeiten, einen kleinen Vorteil haben, wenn die Kirche Land verpachtet“, sagt er. Seine Begründung: „Der Biolandbau bewahrt die Schöpfung, der konventionelle nicht.“

Eine Umfrage der taz und des kirchlichen Magazins Zeitzeichen unter den 20 Landeskirchen der EKD zeigt, dass die überwiegende Mehrheit der Gemeinden nach freiem Ermessen die Pächter auswählt. Einheitliche Regeln und Transparenz nach außen? Fehlanzeige.

Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland dagegen hat ein Punktesystem eingeführt, nach dem die Kreiskirchenämter die Pachtbewerber bewerten. Das Land solle derjenige bekommen, der die meisten von maximal 16 Punkten erhält, heißt es in einem Dokument, das für jedermann im Internet einsehbar ist.

Ein Beispiel: Wer seinen Hauptwohn- oder -betriebssitz in der Gemarkung der Kirchengemeinde hat, bekommt drei Punkte. Keine Punkte sind allerdings für Ökolandbau oder eine kleine und mittlere Betriebsgröße vorgesehen. Demmerle hat nach seinen jahrelangen erfolglosen Versuchen, Kirchenland zu pachten, den Verdacht, dass die Flächen trotz des Punktesystems willkürlich vergeben werden. „Wir erfahren nicht, wie viele Punkte wir und der Gewinner bekommen haben“, kritisiert er. „Da ist das Misstrauen natürlich groß, dass große Betriebe nach Gutdünken Land bekommen.“

Beim Landeskirchenamt in Erfurt ist Referatsleiter Diethardt Brandt zuständig für die Grundstücksverwaltung. Warum die Kirche nicht die Punktzahl der Bewerber mitteilt? „Das können wir nicht machen, weil wir den Datenschutz wahren müssen“, antwortet er. Bei Tausenden Verfahren in den vergangenen Jahren habe es nur sehr wenige Beschwerden gegeben. Biobetriebe zu bevorzugen sei bisher in der Landessynode nicht mehrheitsfähig gewesen. Öko zu bevorzugen, heißt es aus der Kirchenhierarchie, sei nicht fair gegenüber den konventionellen Landwirten.

Indirekt würde man ihnen dann nämlich vorwerfen, dass sie ihren Job nicht richtig machten. Mit dieser Aussage hätte Demmerle kein Problem. „Man muss sehen, wie die wirtschaften“, argumentiert er. „Die Kirche will doch, dass unsere Umwelt gesund erhalten wird.“ Und die konventionelle Landwirtschaft richte eben mehr Schäden an, zum Beispiel Bodenerosion oder die Zunahme von Pestiziden im Grundwasser.

Bevorzugt an Biobauern

Immerhin sehen das nun offenbar auch immer mehr Kirchenleute so. Der Kirchenkreis Ostholstein hat vor Kurzem gefordert, dass die Gemeinden der Nordkirche in Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern bevorzugt an Biobauern verpachten.

Eine entsprechende Empfehlung könnte die Landessynode Anfang kommenden Jahres beschließen. Das wäre ein Signal an alle Landeskirchen – von dem vielleicht eines Tages auch der Thüringer Biobauer Demmerle profitiert.