Pömmelte-Prozess eröffnet

Vier junge Männer stehen seit gestern vor Gericht, weil sie einen dunkelhäutigen Jungen gequält haben sollen. Staatsanwalt vermutet rechtsextreme Motive

SCHÖNEBECK taz ■ Der 20 Jahre alte Gleisbauer Francesco L. aus dem sachsen-anhaltinischen Pömmelte ist äußerlich ungerührt, als er in den Sitzungssaal 313 im Amtsgericht Schönebeck geführt wird. Dort sitzen bereits seine Kumpels – Morten D. aus Pömmelte und die Zwillinge Kevin und Steven W. aus dem Nachbarort Barby, alle 16 Jahre alt, weder außergewöhnlich groß noch kräftig.

Die Tat, wegen der die vier seit gestern vor Gericht stehen, zeigt, was passieren kann, wenn Langeweile, Perspektivlosigkeit und eine womöglich nur unterschwellig vorhandene fremdenfeindliche Gesinnung aufeinander treffen. Am Abend des 9. Januar dieses Jahres sollen die Angeklagten und der 14 Jahre alte Mitläufer Dustin G. den zwölfjährigen Kevin K. aus Pömmelte auf dessen Heimweg brutal misshandelt haben. Gefährliche Körperverletzung, Nötigung und Freiheitsberaubung wirft die Staatsanwaltschaft ihnen deshalb vor.

Das Verfahren gegen den Jüngsten, Dustin G., wurde von dem der anderen abgetrennt. Seinen Freunden drohen nun bis zu zehn Jahre Haft. Die Staatsanwaltschaft vermutet, dass die Tat einen rechtsgerichteten Hintergrund hat.

Das Opfer ist deutsch, in der Bundesrepublik geboren und aufgewachsen. Weil sein Vater aus Äthiopien stammt, ist Kevins Haut „ein wenig getönt“, wie der Spiegel schrieb. Sehen kann man das beim Prozessauftakt nicht: Kevin ist nicht zur Verlesung der Anklageschrift gekommen, sonst hätte er seinen Peinigern in die Augen schauen müssen.

„34 einzeln abgrenzbare Verletzungen“ haben die Angeklagten ihrem Opfer in etwas mehr als einer Stunde zugefügt, heißt es in der Anklage. Eine halbe Stunde dauert es, bis Staatsanwalt Murra sie verlesen hat. An Stellen, die besonders grausam sind, stockt Murras Stimme, zum Beispiel wenn er berichtet, Morten K. habe das Opfer aufgefordert, seine Springerstiefel abzulecken. Oder da, wo Murra auflistet, wie Francesco den Jungen alleine weiterquält, als die anderen schon nach Hause gegangen sind. Wenn Kevin jemandem von den Qualen erzähle, werde er ihn umbringen, drohte der 20-Jährige seinem Opfer.

Das Verfahren findet auf Antrag der Verteidigung unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Nur zur Anklageverlesung und zur Urteilsverkündung ist Publikum zugelassen. Zur Begründung erklärte das Gericht, die Angeklagten seien im Vorfeld des Prozesses von „bestimmten Massenmedien“ zur Schau gestellt worden. Dies sei der weiteren Entwicklung der jungen Männer nicht zuträglich gewesen. DOMINIK SCHOTTNER