KUNST

schaut sich in den Galerien von Berlin um

MARCUS WOELLER

Jedes Jahr im November veröffentlicht die britische Kunstzeitschrift ArtReview die Liste The Power 100. Zum Jahresende sind solche Listen sehr beliebt. Obwohl man kaum etwas über die Auswahlkriterien der Listung erfährt, ist es doch immer wieder spannend zu sehen, wie Objekte der Begierde eine Nummer bekommen oder Personen des öffentlichen Lebens plötzlich in hierarchischer Reihung auftauchen. The Power 100 wird sehr persönlich. Hier versammeln sich nämlich die – in den Augen der Jury – mächtigsten Figuren der Kunstwelt, die aufgrund ihres Einflusses auf die künstlerischen Produktion, ihrer finanziellen Schlagkraft und ihrer besonderen Aktivität wichtiger sind als andere. Künstler, Sammler, Galeristen und Kuratoren warten also gespannt, ob sie dabei sind!

 Berlin hält sich im Kunstbetrieb auch für sehr kraftvoll und ungemein wichtig. In der Liste schlägt sich das kaum nieder. Unter den ersten zehn Plätzen ist niemand, der sich in letzter Zeit um die hiesige Kunst verdient gemacht hätte. Auf den nächsten zehn findet sich niemand aus der Berliner Künstler- oder Kuratorenschaft. Auf Rang 22 dann: Klaus Biesenbach, der auch Jahre nach seinem Abgang aus den Kunst-Werken der Stadt wohl lebenslänglich als Pate verbunden bleiben wird. Dann wieder lange nichts, bis auf Platz 33 mit den Ex-Kölnerinnen Monika Sprüth und Philomene Magers endlich zwei Galeristinnen aus Berlin auftauchen, die ihre Sporen freilich eher mit dem Stützpunkt in London verdienen. Die Durststrecke geht weiter, bis Udo Kittelmann über dem Horizont von Platz 49 aufscheint, als erster Berliner Museumsmann. Der zweite ist eine Überraschung: Anselm Franke. Der Leiter des Bereichs Bildende Kunst am Haus der Kulturen der Welt trägt als Neueintritt die Nummer 92. Mit Ausstellungen zum Animismus, der Kalifornien-Schau „The Whole Earth“ oder dem aktuellen Projekt „After Year Zero. Geografien der Kollaboration“ setzt er sich über konventionelle Formatschranken hinweg. Hoffentlich gelingt es ihm damit, Berlin von innen heraus zu internationalisieren. (Das Anthropozän-Observatorium #2: Imperium der Berechnung, bis 28. 10., Mi–Mo 11-19 Uhr, HKW, John-Foster-Dulles-Allee 10)  Global und absolut gesehen geht die Macht übrigens vom Nahen Osten aus. Auf dem ersten Rang nimmt Sheikha Al-Mayassa bint Hamad bin Khalifa Al-Thani aus Katar Platz. Die Emirstochter hat sich in nur zwei Jahren ganz nach vorn durchgekämpft, als Vorsitzende der nationalen Museen, als aggressiver Big Player auf dem Kunstmarkt und als Großsponsorin internationaler Großausstellungen. In der Kunstwelt bleibt Kapital eben der Kraftstoff Nummer 1.