Der Trend geht zum Zweitbuch

BIBLIOPHIL Seit 1984 hat die taz auf der Frankfurter Buchmesse einen Stand

„Nanu, den Text kenne ich ja gar nicht – aber die Überschriften machen die Redaktionen ja meist selbst“, sprach von Weizsäcker und signierte den Fake mit seinem Autogramm

VON MATHIAS BRÖCKERS

Auf der größten Bücherschau der Welt, der Frankfurter Buchmesse, ist auch die taz seit ihrem Bestehen jedes Jahr vertreten. Seit 1984 mit einem eigenen Stand, in den Jahren davor in Gemeinschaft mit anderen alternativen Projekten wie etwa der Frankfurter Zeitschrift Pflasterstrand. Diese hatte 1981 in einer klandestinen Aktion Prospekte der neuen Buchreihe „edition sual“ vorbereitet, an deren Verteilung sich die taz-Mitarbeiter begeistert beteiligten.

Aufgemacht im Design des Suhrkamp-Verlags und formuliert im distinguierten Ton des Frankfurter „Hochkultur“-Verlags, verkündete der Prospekt (http://url9.de/Mkm) die Fusion von Suhrkamp mit dem Discounter Aldi und annoncierte die ersten 25 Titel der neuen Reihe. Angesichts der aktuellen Verwerfungen im Hause Suhrkamp scheint diese Idee auch nach Jahrzehnten nicht nur wirtschaftlich durchaus sinnvoll. Auch inhaltlich könnten die parodierten Titel – von Noam Chomsky „Esperaldi. Ein transformatives Kochbuch. Mit einem Palmin-Stück von Joseph Beuys und einem Essay von Roland Barthes: ‚Im Reich der Dosen‘“ sowie der „sual-Essay“ von Felix Guattari und Klaus Theweleit „Aldi-Ödipus? Rhizomatische Strömungslehre im Warenmeer“ oder von Tilman Moser „Die Syntax der Bohrung. Zur Psychoanalyse des Heimwerkers“ – durchaus zu einer programmatischen Sanierung des angeschlagenen Verlags beitragen.

Während die visionäre Fusion („Wenn der Leser nicht zum Buch kommt, muss das Buch zum Leser kommen“) seinerzeit natürlich umgehend dementiert wurde, wurde der taz für eine weitere Parodie einige Jahre später höchst amtliche Authentizität bescheinigt. In der Buchmessen-Sonderausgabe „literataz“ mit Texten und Rezensionen, die seit 1982 jedes Jahr erscheint, hatten wir einen „Essay“ des damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker gedruckt, den er nie geschrieben hatte. Er war aus Textbausteinen seiner Sonntagsreden montiert, ein nichtssagender Ausbund aus konzentriertem Schwersthumanismus und wohlklingendem Großsalbader, den wir dem Präsidenten bei seinem Rundgang über die Messe zum Signieren vorlegten.

„Nanu, den Text kenne ich ja gar nicht – aber die Überschriften machen die Redaktionen ja meist selbst“, sprach von Weizsäcker und signierte den Fake mit seinem Autogramm. Die Überschrift der Doppelseite lautete „Im Mittelpunkt steht der Mensch“ , was schließlich jeder – abgesehen von militanten Tierfreunden – blindlings unterschreiben kann.

Abgesehen von derlei in den letzten Jahren selten gewordenen aktionistischen Scherzen ist die Buchmesse für die taz aber auch immer schon eine ernstzunehmende Angelegenheit – in den teuren Messestand, die personalintensive Betreuung und die aufwändige Sonderausgabe wird nicht zum Spaß investiert, sondern für den unmittelbaren und persönlichen Kontakt mit dem lesenden und schreibenden Publikum. Um dieses noch enger an die taz zu binden und für die Angebote eines Abonnements, der Genossenschaft oder andere taz-Produkte zu interessieren, wird seit einigen Jahren auch ein Joker eingesetzt, der mittlerweile schon zu einer Institution geworden ist: die kostenlose Abgabe des köstlichen taz.presso.

Schon kurz nach Öffnung der Hallen, wenn überall noch weitgehend Leere herrscht, bilden sich so am taz-Stand schon lange Schlangen, die auch den ganzen Tag über kaum abreißen. Und weil zu einem guten Kaffee kaum etwas Besseres passt als eine aktuelle Zeitung, gibt es die taz vom Tage noch gratis dazu. Sowie von den freundlichen MitarbeiterInnen, RedakteurInnen und AutorInnen Antworten auf alle Fragen – über die taz und die Welt. Und darüber, wohin der Trend – außer zum Zweitbuch – denn in diesem Jahr geht. Probieren Sie’s aus und kommen Sie vorbei – vom kommenden Mittwoch bis zum folgenden Sonntag in Halle 3.1 Stand B 122.