schaut sich in den Galerien von Berlin um

MARCUS WOELLER

Wenn die Malerei schon ewig leben soll, wie es die Berlin Art Week postuliert, was ist dann eigentlich mit der Zeichnung? Die geht der Malerei oft voraus, gilt als Mutter aller Künste. Die Galerie Jarmuschek + Partner setzt in ihren neuen Räumen jedenfalls einen sehr gegenwärtigen Kommentar zum Painting-Hype: Sabine Banovic zeigt hier unter dem Titel „Treibsand“ aktuelle Arbeiten. Schwarze Schraffuren, Kritzelspuren, Verwischungen und Verwaschungen, perspektivische Brüche und unendlich viele, schwer entzifferbare Details wirbeln hier über Leinwand und Papier. Narratives und Abstraktes sind in einem Mix begriffen, den man eher musikalisch beschreiben möchte, als ikonografisch fassen. Ihre Benennungen wie „Gischt“ oder „Frost“ sind konkret, verweisen aber nur auf die oberste Ebene. Darunter führt ihr bildnerischer Weg in eine dichte Ästhetik, die virtuose Zeichenkunst in die Nähe digitaler Bilderfindungen führt. (bis 2. 11., Di. – Sa., 12 – 18 Uhr, Potsdamer Str. 81b) Die Faszination an digitalen Projektionen befriedigt die Galerie Thomas Fischer. Schicke Minibeamer auf Holzstelen aufgebaut, ziehen in ihrer technischen Kompaktheit die Blicke auf sich. Denn auf den Videobildern, die sie auf architektonische Interieurs werfen, geschieht erstmal nichts. Eine Person steht darin rum, mal in einer Ecke, mal vor einer Brüstung. Die Technologie tritt erst in den Hintergrund, wenn sich die starre Gestalt plötzlich in Bewegung setzt und einen Spalt in der Ecke hochklettert, über ein Mäuerchen springt oder unvermittelt aus dem Bildraum kippt. Sebastian Stumpf hat mit der Installation die perfekte Präsentationsform gefunden: Er überführt ortsspezifische Aktionen, deren filmische Dokumentationen eigentlich an Ort und Stelle projiziert werden, in filigrane Videoskulpturen. Stumpf agiert in seinen Performances, für die er sich in Häusernischen klemmt, von Brücken in Flüsse springt oder auf Plakatgerüsten herumturnt, als Street Artist in allerbester Weise – er markiert und thematisiert den öffentlichen Raum. Den Skulpturbegriff zu erweitern, gehört dabei zum Arbeitsrepertoire. In seiner neuen Videoserie „Pfützen“ liegt Stumpf in ebensolchen. Bäuchlings, mit dem Gesicht im Wasser, regungslos. Wie eine Plastik, die vom Sockel gestoßen wurde, gestört nur von hin und wieder ins Bild laufenden Passanten oder den Künstler umfahrenden Lieferwagen. Bei mir in der Straße gibt es übrigens eine Senke im Gehweg, die auch in trockenen Zeiten noch lange Wasser führt. Sie wartet nur darauf, künstlerisch aufgewertet zu werden! (bis 9. 11., Di.–Sa., 11–18 Uhr, Potsdamer Straße 77 H)