Nach vorne, volle Kanne nach vorne

SAP Hoffenheims torreicher Selbstfindungstrip unter Markus Gisdol geht beim 3:3 gegen Freiburg weiter

Das Spiel in Zahlen: sechs Tore, eine Ohrfeige, ein Elfmeter, drei Platzverweise und eine Trainerherausstellung

AUS SINSHEIM TOBIAS SCHÄCHTER

Selbst ein Markus Gisdol kann sich irren. Auch wenn das kaum jemand glaubt im nördlichen Baden, seit der Fußballtrainer in der vergangenen Runde der TSG Hoffenheim in schier auswegloser Situation doch noch den Klassenerhalt gerettet hat.

Am Samstag vermutete Gisdol, alle hätten sich gewünscht, dass das Spiel zwischen Hoffenheim und dem SC Freiburg immer weitergehe. Nee, nee, Markus – die völlig entkräfteten Spieler aus Freiburg sehnten in den letzten 10 Minuten beim Stand von 3:3 nur noch eines herbei: den Schlusspfiff. Außer den Ball noch irgendwie aus der Gefahrenzone zu dreschen, hatten sie Hoffenheims vehementen Angriffen nichts mehr entgegenzusetzen.

Denn diese 94 Minuten Bundesligafußball zwischen Hoffenheim und Freiburg waren für alle Beteiligten tatsächlich ein nur schwer verkraftbares Spektakel: Sechs Tore, wechselnde Führungen, eine Ohrfeige, ein Elfmeter, drei Platzverweise für Spieler und einer für Freiburgs Trainer Christian Streich, umstrittene Schiedsrichterentscheidungen und ein Pfostenschuss für Hoffenheim in der dritten Minute der Nachspielzeit machten den Nachmittag für die Zuschauer zu einem Erlebnis.

Und Gisdol hatte keine Lust, dieses schlechtzureden. In Hoffenheim müssen sie nach Jahren der Grabenkämpfe, Skandale und verlorener sportlicher Identität Zuschauer ja erst wieder zurückgewinnen. Auch am Samstag waren nur rund 24.000 zum badischen Nachbarschaftskämpfle gekommen. Um Fans wieder zu begeistern, ist so ein turbulenter Bolzplatzkick trotz für Traineraugen eigentlich unakzeptabler Abspiel- und Taktikfehler beste Werbung. Gisdol sagte fast stolz: „Das, was wir derzeit bieten können, liefern wir volle Kanne ab.“

Nach vorne geht es unter Gisdol, nach vorne. Notorische Nörgler könnten einwenden, eine stabilere Mannschaft hätte die spektakulären Heim-Unentschieden gegen Nürnberg und Freiburg mit insgesamt fünf Gegentoren für sich entschieden. Aber Hoffenheim ist eben noch keine stabile Mannschaft und bisher spielte sie mit Nürnberg, Freiburg und dem Hamburger SV ja auch gegen Teams, die ihrerseits noch auf dem Selbstfindungstrip wandeln.

Gisdol geht dabei seinen Weg konsequent, er gibt Talenten endlich eine Chance, so wie am Samstag dem 23-jährigen Tobias Strobl. Der Mittelfeldspieler dankte es ihm nach seiner Einwechslung mit einem strammen Schuss in den Torwinkel zum 3:3. Taktisch setzt Gisdol auf vier flexible Offensivkräfte. Ganz vorne ist der bereits drei Mal erfolgreiche Anthony Modeste (kam aus Bordeaux) ein unberechenbarer Innenverteidigernerver, hinter dem die technisch brillanten Kevin Volland und Roberto Firmino mit dem körperlich noch etwas zierlichen Norweger Tarik Elyounoussi (kam aus Trondheim) Wirbel machen.

Und die TSG tritt seit Gisdols Amtsantritt trotz aller Defensivschwächen wieder als Mannschaft auf. Den aufgeblähten Kader von 43 Spielern reduzierte der Trainer gemeinsam mit Manager Alexander Rosen. Ausgemusterte Profis wie Tim Wiese, Tobias Weis, Eren Derdiyok oder Edson Braafheid halten sich in der sogenannten Trainingsgruppe 2 mit eigenem Trainer fit.

Derdiyok hat nun am Arbeitsgericht Mannheim Antrag auf eine einstweilige Verfügung gestellt, er will wieder mit dem Bundesligakader trainieren. Ein Urteil könnte schon am Mittwoch folgen. In ein paar Tagen läuft die Wechselfrist aus, und im Hintergrund wird erbittert um Abfindungen und Ablösesummen gefeilscht. Dass einer der Ausgemusterten noch einmal in Markus Gisdols Kader trainiert, hält ein Insider indes unabhängig vom Urteil des Mannheimer Gerichts für ausgeschlossen.