schaut sich in den Galerien von Berlin um

MARCUS WOELLER

Der preußische Glanz von Schloss Roskow ist längst verfallen. Nur an der Fassade prangen noch Kanonen und Mörsertöpfe, als Zeugen einer militaristischen Familientradition. Den Prunk im Inneren hat die Nutzung als Dorfschule während DDR-Zeiten geschliffen. Im Salon verweist noch ein ramponierter Flügel auf bessere Tage – und natürlich die beiden Wandteppiche. Auf den ersten Blick sehen sie in ihrer verblichenen Farbigkeit aus, als gehörten sie noch zur Originalausstattung. Wären da nicht diese schrillen Motive: Vor der Kulisse eines arkadischen Antikenpanoramas feiert ein Gangsta-Rap-Pascha mit seinen Gespielinnen eine Bunga-Bunga-Party, während in der heroischen Landschaft der zweiten Tapisserie der russische Putin-Kritiker Michail Chodorkowski nicht nur über das eigene Schicksal sinniert, sondern auch am sittlichen Verfall seiner Heimat verzweifelt. Die Wandbehänge stammen von der Konzeptkünstlerin Margret Eicher. Sie verbindet die barocke Form des Bildteppichs mit zeitgenössischer Thematik und der Bildsprache heutiger Informationsmedien. Wie Ausschnitte aus dem Aktionsmonitor eines Computerspiels sehen die Szenen aus, am Bildrand finden sich charakteristische Leisten und Symbole, die dem Betrachter die Rolle des Akteurs in einem Abenteuer zuweisen. Wir sind also auf der Suche nach dem High-Score. Doch Eicher fahndet im Rahmen der Gruppenausstellung Rohkunstbau nach dem verlorenen Idealzustand. Ihre vielschichtigen Tapisserien sind Erinnerungsstücke aus dem kollektiven Gedächtnis. (bis 22. September, Schloss Roskow, Dorfstr. 30, 14778 Roskow) Mehr von Margret Eicher zeigt Once Upon a Time in Mass Media in ebenso passender Location. Die Kleine Orangerie am Schloss Charlottenburg präsentiert in einem Ambiente zwischen Klassizismus und Industrieloft ein halbes Dutzend weiterer Teppiche nebst Bodenkissen und verwandelt den langen Tageslichtbau in einen historisierenden Wandelgang. Doch ihre Sujets, die Eicher in aufwändiger Jacquard-Technik hat weben lassen, sind höchst zeitgemäß – auch wenn die zugrunde liegenden Digitalcollagen antike Mythologien aufnehmen. Beispielsweise „Zeus erscheint Eva in Gestalt einer Rakete“: Wie man weiß, hat sich der Göttervater im erotisierten Rausch in so alles Mögliche verwandelt. Hätte es im griechischen Altertum aber schon Raketen gegeben, die phallischen Flugkörper wären des obersten Blitze-und-Donner-Schleuderers erste Wahl gewesen. Wie in modernisierten Fabeln illustriert Eicher nur aktuellere Techtelmechtel von Macht und Libido, Verführung und Anmaßung. (bis 8. 9., Di.–Sa., 12–18 Uhr, Spandauer Damm 22)