Die Schüsse haben auch den Kiez getroffen

In der Neuköllner Fontanestraße ist es drei Tage nach der Bluttat wieder ruhig geworden. Die Anwohner sind betroffen, manche zünden Kerzen am Tatort an. Die Drogendealer in der Hasenheide legen einen Ruhetag ein – zu viel Polizei

Das Reisebüro Geber Reisen hat zwischen seine Sommersonderangebote ein Foto des niedergeschossenen Uwe L. gehängt. Der 42-jährigen Hauptkommissar liegt im Sterben (siehe Text oben). „Unser tiefes Mitgefühl gilt seiner Familie“, lautet der Begleittext. „Wir trauern.“ Auf der andere Seite der Neuköllner Fontanestraße sammelt sich eine Gruppe Kinder bei dem improvisierten Denkmal mit Rosen, Tulpen und brennende Kerzen. Sie sind in der Mittagspause von der Schule um die Ecke hergelaufen. „Ist er echt hier erschossen worden?“, fragt ein Junge seine Mutter laut. „Ja“, antwortet sie leise. „Es ist schlimm, sehr schlimm.“

Drei Tage nach der Schießerei ist es ruhig geworden um den Tatort – nur die üblichen Passanten waren gestern am Nachmittag unterwegs. Und auch die Dealer in der angrenzenden Hasenheide legen einen Ruhetag ein. „Normalerweise könnte ich dir etwas verkaufen“, sagt ein Typ in einem orangefarbenen Mantel. „Aber jetzt gibt es hier zu viel Polizei. Vielleicht später.“ Er findet es „schrecklich“, was dreißig Meter weiter passiert ist. „Aber ich habe nichts damit zu tun.“ Polizisten in Uniform sind nach den Durchkämmaktionen am Wochenende nicht mehr unterwegs, wenn überhaupt sind Fahnder zivil vor Ort.

Mitten in dem Park steht ein Mann in Trainingsanzug. Er hält ein Schwert in der Hand. Langsam und konzentriert hebt er es hoch, als ob er einen eingebildeten Feind bedrohen wollte. „Ich mache Tai Chi“, sagt er. Auf das die Bluttat angesprochen seufzt er. „Ja klar, schrecklich.“ Und nein, er brauche sein Schwert nicht, weil es hier zu gefährlich sei. „Obwohl ich hier nachts nicht gern entlang gehen würde.“

Die Umgebung der Hasenheide, zu der die Fontanestraße gehört, ist nicht gerade eine reiche Gegend Berlins. In der Hermannstraße reiht sich Spielhölle an Spielhölle – Sportwetten liegt gegenüber Fortuna Wetten, daneben lockt Albers Wetten. Auch in der Altberliner Kneipe („Tag und Nacht geöffnet“) gibt es mehrere Geldspielautomaten. Ein alter Mann liest in einer Boulevardzeitung über den angeschossenen „Drogen-Cop“. Er selbst wohne schon seit 77 Jahren in Neukölln. „Früher mal war es ein gemütlicher Bezirk. Jetzt wird es immer schlimmer.“ Er wage sich nicht mehr in den Park, aus Angst überfallen zu werden. Heute könne es ruhig sein, erzählt er, aber morgen seien die herumlungernden Jugendlichen wieder da. Und die Polizei sei machtlos. „Sie rufen einander an, wenn ein Beamter kommt. Dann sind alle in ein paar Sekunden verschwunden.“

Draußen, an einem Eingang der Hasenheide, steht eine Gruppe Teenager. Sie wollten eigentlich Haschisch kaufen, sagen sie. Bekommen haben sie nichts – zu viel Polizei. MICHIEL HULSHOF