Die kleine Wortkunde

„Rock me baby, rock me all night long … 1964 konnten Musiker wie B.B. King noch nicht aussprechen, was sie mit „rocken“ eigentlich meinten. Heute ist das anders: Während die Band Sofaplanet mit „Liebficken“ 2001 noch einen Hit landen konnte und der Filmtitel „Fickende Fische“ 2002 für Aufhorchen sorgte, rauscht 2013 eine Liedzeile wie „Ich weiß, wie du beim Ficken klingst“ (aus „Mit Zucker“ von Laing) fast an einem vorbei. Hat das Wort FICKEN – auch dank der Überstrapazierung durch deutsche Fäkalrapper – seine vulgäre Heftigkeit eingebüßt und ist salonfähig geworden?

„Ficken“ (etwas hin und her bewegen, Sex haben) hatte im Mittelhochdeutschen schlicht die Bedeutung „reiben“, im Frühneuhochdeutschen auch „jucken, kratzen“. Der Ursprung ist unklar, Vorläufer könnten das indogermanische „peuken“ (stechen, stoßen) oder das lateinische „figere“ (anheften, kreuzigen) sein. Als sexueller Begriff wurde „ficken“ erst im 16. Jahrhundert gebraucht. Als lautmalerischer Ausdruck für „hin und her bewegen“ brachte er Wörter wie „Fickeisen“ (Bügeleisen) hervor.

Ja, „ficken“ ist salonfähig, aber nicht in seiner sexuellen Bedeutung. Als Ausdruck für „jemanden fertig machen“ oder „überwältigt/erschüttert sein“ („der Film hat mich gefickt“) sowie als Fluchwort („verfickt“) stößt und reibt sich kaum jemand an dem Begriff. Bei „geil“ war es ebenso: Ab den 80ern machte das Wort eine zweite Karriere als nichtsexuelle Steigerung von „gut“. Als Beschreibung sexueller Erregung hingegen behält „geil“ seine derbe Konnotation ebenso bei wie „ficken“. Dennoch: Die Sprach-Evolution schreitet voran. Vielleicht kehrt „ficken“ eines Tages zu seiner alten Bedeutung „hin und her bewegen“ zurück, sodass man irgendwann ohne falsche Scham sagen kann: „Heute habe ich auf der Autobahn gefickt!“ ERIK WENK