Kein Geld fürs Zweit-Bambino

Italiens Politik hat die Zeitenwende verschlafen. Im einstigen Land der Großfamilien werden Familien kaum gefördert. Viele Eltern können sich nur ein Einzelkind leisten

ROM taz ■ La mamma, die ihre ebenso zahlreichen wie lauten Bambini verhätschelt – so sieht im Klischee die italienische Familie aus. Früher mag das gestimmt haben. Heute aber zählt Italien mit etwa 1,25 Kindern pro Frau weltweit zu den Geburten-Schlusslichtern.

Privat ist das Land kinderfreundlich wie ehedem. Strukturell aber macht Italien es den Frauen schwer, sich zu einem Kind zu entschließen. Kaum ein anderer europäischer Staat gibt so wenig für Familienpolitik aus. Gerade einmal 0,9 Prozent des Bruttoinlandsproduktes fließen in diesen Bereich. Warum auch hätte Italien für größeren Kindersegen sorgen sollen? Jahrzehntelang waren die Italiener „zu viele“, mussten vor allem aus dem armen Süden ins Ausland emigrieren. Zugleich blieb die Arbeitslosenzahl immer in Millionenhöhe. Wer wollte da noch extra die „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ fördern?

Als in den Siebzigerjahren dann die Entwicklung gleich doppelt umkippte – die Emigration kam zum Stillstand und die Geburtenraten gingen drastisch zurück –, verschlief die Politik diese Wende. Heute kann sich kaum noch ein Paar Kinder leisten, wenn nicht beide arbeiten. An Unterstützung durch den Staat aber gibt es so gut wie nichts: Bei einem Paar mit 30.000 Euro Jahreseinkommen springt für zwei Kinder gerade einmal ein Lohnsteuervorteil von 500 Euro jährlich heraus. Und Betreuungsplätze, die den Müttern – an ihnen bleibt auch in Italien alles hängen – das Arbeiten erlauben würden, sind für Kinder bis zu drei Jahren kaum vorhanden. Nur 6 Prozent der Kleinsten finden Platz in einer Krippe. Tagesmütter sind in Italien schlicht unbekannt.

Auch der Arbeitsmarkt erschwert Frauen die Entscheidung für ein Kind. Der Einstieg erfolgt in Italien spät, die Jobs sind oft miserabel bezahlt. Und in Großstädten wie Rom und Mailand sind Mietwohnungen unter 1.000 Euro praktisch nicht zu haben. Die Folge: Erst mit durchschnittlich 30 Jahren kriegen die Italienerinnen ihr erstes Kind. Und das bleibt meist das einzige. Die einen müssen auf weiteren Nachwuchs verzichten, weil das zu teuer wäre, die anderen, weil sie schon das eine Kind nur schwer mit dem Beruf vereinbaren können. MICHAEL BRAUN