Unsichtbare Unternehmerinnen

Die Karrierechancen von Frauen schwinden: Im ganzen Land sinkt ihr Anteil an Top-Jobs. Zum heutigen Frauentag fordern sie, Chefinnen im Land zu puschen. „Old-Boy-Club muss sich öffnen“

von ANNIKA JOERES

Frauen haben in NRW nicht nur weniger Macht – sie sind auf ihren Chefsesseln auch noch unsichtbar. Unternehmerinnen fordern nun, Frauen in den oberen Etagen endlich wahr zu nehmen. „Topfrauen werden nicht gesehen“, sagt Birgit Unger, Veranstalterin des jährlichen Unternehmerinnentages in Essen. Bisher fehle konkretes Zahlenmaterial, zum Beispiel darüber, welche Firmen von Frauen gegründet und geführt werden. „So bleibt das ewige Klischee: Frauen leiten Fingernagelstudios und Kleiderläden.“ Dabei ist Unger überzeugt: Gründerinnen sind längst auf Augenhöhe mit ihren Kollegen und in allen Bereichen aktiv.

Die einzigen verfügbaren Zahlen über NRW geben in der Tat nur darüber Aufschluss, wo Frauen nicht sind: In der oberen Leitungsebene, zum Beispiel als Geschäftsführerinnen oder Filialleiterinnen. Dort liegt der Anteil von Frauen bei verschwindenden vier Prozent. Je kleiner der Betrieb, desto größer die weiblichen Chancen: Jeder vierte Betrieb mit nur neun MitarbeiterInnen hat eine Chefin.

„Frauen fehlen die Saunarunden und Biergespräche“, sagt Anni Hausladen. Die Kölnerin berät Frauen und führt „Kungelrunden“. „Frauen sind bestens qualifiziert, bilden sich ständig fort – aber niemand beachtet sie“, sagt die Kölnerin. Es genüge nicht, Wissen anzuhäufen – wichtiger seien Beziehungen. Sie appelliert auch an die Politik: „Frauen müssen in den Landtag, in die Vorstände reingeholt werden.“ Sonst ginge dem Land ein riesiges Potenzial verloren. „Der Old-Boy-Club muss sich öffnen.“

Den größten Nachholbedarf in NRW hat das Ruhrgebiet. Dort gibt es nicht nur wenige Chefinnen, sondern auch weniger Arbeiterinnen. Der Strukturwandel der ehemaligen Industrieregion ging über die Hälfte der Bevölkerung hinweg: Nach einer aktuellen Studie der Historikerin Yong-Suk Jung an der Ruhr-Universität Bochum haben Frauen im Revier schlechtere Chancen auf einen Beruf als in jedem anderen Gebiet der Bundesrepublik. „Das Erbe der Schwerindustrie lastet immer noch schwer“, sagt Jung. Nehmen Frauen bundesweit 42 Prozent aller Arbeitsplätze ein, so sind es im Ruhrgebiet nur 40 Prozent. Die Jobs sind schlecht bezahlt und unsicher: Fast 90 Prozent der Frauen arbeiten im Dienstleistungssektor, also zum Beispiel als Verkäuferin oder Zahnarzthelferin. Laut Jung ist es nicht nur die alte Industriebranche, die eine weibliche Karriere behindert: „In dieser Gesellschaft ist die Meinung, kleine Kinder seien am besten bei der Mutter aufgehoben, erstaunlich tief verwurzelt“, so die Koreanerin.

NRW-Frauenminister Armin Laschet (CDU) war auch anlässlich des Frauentages zu keiner Stellungnahme bereit. In einem Interview mit der taz nrw im vergangenen Jahr sprach er sich gegen eine Quote für die Führungsriegen von Unternehmen aus, wie sie beispielsweise in Schweden erfolgreich praktiziert wird. „Wir können doch den Betrieben nicht vorschreiben, wen sie einstellen sollen.“ Laschet glaubt an die Erkenntnis der Unternehmen: „Sie müssen das Potenzial von Frauen erkennen, sie sind heute besser qualifiziert als jemals zuvor.“