Zurück in die Fünfziger Jahre

Die Verschärfung der Sozialgesetze bringt Alleinerziehende und junge Frauen zurück in patriarchale Abhängigkeiten. „Männer trifft es immer nur theoretisch“, sagen Kritikerinnen

Die Sozialgesetze orientieren sich an der klassischen Ein-Verdiener-Ehe

VON ANDREAS WYPUTTA

Die systematische Benachteiligung von Frauen bleibt auch 14 Monate nach Inkrafttreten des Hartz-Gesetzespakets Programm. Jüngste Opfer sind arbeitslose Alleinerziehende und Frauen unter 25: Die von dem 66-jährigen Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) vorangetriebene Verschärfung der Hartz-Gesetze treibt sie in noch stärkere Abhängigkeit von Partnern und männlichen Familienangehörigen.

Von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet habe Müntefering gerade die Unterhaltspflicht für Kinder weiter verschärft, kritisiert Barbara Steffens, Sprecherin für Sozial- und Frauenpolitik der grünen Landtagsfraktion. Wer mit einer arbeitssuchenden Partnerin, einem arbeitssuchenden Partner zusammenlebt und damit in der Logik der Behörden eine „Bedarfsgemeinschaft“ bildet, ist auch für jedes mit im Haushalt lebende Kind unterhaltspflichtig. Dabei spielt es keine Rolle, wer der biologische Vater, wer die biologische Mutter ist – wer zusammenlebt, zahlt. „Damit haben viele alleinerziehende Frauen keine Chance mehr auf eine langfristige Partnerschaft“, klagt Steffens. Einwände, Münteferings Vorstoß gelte auch für Männer, lässt die Grüne nicht gelten: Schließlich sei der überwiegende Teil der Alleinerziehenden weiblich – und ohne entsprechende Betreuungsangebote kaum in der Lage zu arbeiten. „Männer trifft es immer nur theoretisch.“

Katastrophal wirke sich auch der Druck auf Langzeitarbeitslose unter 25 aus. Ab Juli haben sie nur aus „schwerwiegenden sozialen Gründen“ einen Anspruch auf eine eigene Wohnung. „Sollen junge Frauen künftig der Arbeitsverwaltung Misshandlungen, etwa durch die eigenen Väter oder Brüder, nachweisen?“, hält Steffens dagegen. „Was für eine Demütigung!“

Die immerhin ist konsequent: Das Hartz-Paket diskriminiert Frauen systematisch. „Die Sozialgesetzgebung orientiert sich wie das Steuerrecht nach wie vor am klassisch-konservativen Modell der Ein-Verdiener-Ehe“, sagt Claudia Weinkopf vom Gelsenkirchener Institut Arbeit und Technik, dass als Teil des Wissenschaftszentrums NRW vom Land unterstützt wird. „Frauen, die ihr Leben lang berufstätig waren, sind nach nur einem arbeitslosen Jahr auf ihren erwerbstätigen Partner angewiesen“, kritisiert auch Christine Weinbörner, Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft der Kommunalen Gleichstellungsbeauftragten in NRW. Zwar gelte diese Regelung formal auch für Männer, doch seien 77 Prozent aller Menschen, die nach nur einem Jahr keinerlei Unterstützung von der Arbeitsverwaltung erhielten, Frauen. „Und keine Arbeitsagentur der Welt wird für die je wieder einen Finger krumm machen“, sagt Weinbörner – schließlich verursachen sie keine Kosten.

Die Diskriminierung trifft auch Frauen in schlechteren Jobs. Im überwiegenden Teil der „Bedarfsgemeinschaften“, in denen beide Partner Arbeit suchen, gilt der Mann als „Haushaltsvorstand“ – Männer werden weniger schnell entlassen als Frauen, da sie oft in besser qualifizierten Positionen und weniger in Teilzeit arbeiten. Die Folge: Der Mann erhält Arbeitslosengeld II in Höhe von 345 Euro, die Unterstützung der Frau dagegen lässt sich der Staat nur 311 Euro kosten. Selbst „Eingliederungsverträge“ mit der Arbeitsverwaltung darf der meist männliche Haushaltsvorstand im Namen seiner Frau rechtsverbindlich abschließen – gehört werden muss sie nicht. „Längst vergessen geglaubte patriarchale Strukturen werden so wieder gestärkt“, sagt Thomas Münch, Arbeitsmarktexperte der Fachhochschule Düsseldorf. „In der Frauenpolitik ist die SPD auf der Reise zurück in die fünfziger Jahre.“