Auch SAP braucht Mitbestimmung
: KOMMENTAR VON TARIK AHMIA

Das Signal der Belegschaft war eindeutig: Mit 90 Prozent der Stimmen haben die Mitarbeiter des Softwarekonzerns SAP das Vorhaben gestoppt, in Deutschland einen Betriebsrat einzuführen – vorerst.

Der Vorgang ist einzigartig. Kein Unternehmen in Deutschland, zumal nicht vom Kaliber SAP mit fast 14.000 Beschäftigten, hält einen Betriebsrat für so entbehrlich wie die Firma aus Walldorf. Mitbestimmung ist bei SAP Chefsache: Ein paar handverlesene Arbeitnehmer dürfen dort im Aufsichtsrat die Belange der Mitarbeiter zu Gehör bringen. Entschieden wird von den Bossen.

Der Beschluss der Belegschaft ist nicht das letzte Wort in Sachen SAP-Betriebsrat. Das Betriebsverfassungsgesetz sieht vor, dass innerhalb der nächsten zehn Wochen die Wahl eines Betriebsrates notfalls gerichtlich durchgesetzt werden kann.

Jenseits des Juristischen jedoch spiegelt die Entscheidung der SAP-Belegschaft einen Wandel der Arbeitswelt wider, der sich nicht per Gerichtsurteil ausblenden lässt: Die Welt der SAP-Programmierer ist von Effizienz getrieben. Sie sind hochqualifiziert, arbeiten flexibel, projekt- und karriereorientiert. Viele können mit einem institutionalisierten Betriebsrat nichts anfangen. Sie wollen ihre Konflikte durch Dialog lösen und nicht durch Gesetze. Richtig daran ist: Neue Arbeitsformen machen neue Formen der Mitbestimmung nötig – ohne diese überflüssig zu machen.

Die Strategie der SAP-Mitarbeiter ist für sie selbst gefährlich. Solange Unternehmen so glänzend verdienen wie SAP, läuft alles harmonisch. Erst in der wirtschaftlichen Krise ist Schluss mit der Schönwetterveranstaltung. Spätestens wenn die ersten SAP-Programmierer ihre Jobs nach China und Indien abwandern sehen, werden sie merken, dass sie Konflikte erfolgreicher lösen können, wenn sie sich organisieren. Dafür gibt es Gewerkschaften.

Der Einfluss der Mitarbeiter endet stets dort, wo die Besitzverhältnisse angetastet werden. Das gilt für die Beschäftigten bei SAP wie bei AEG in Nürnberg: Dort hat der massive Arbeitskampf den Mitarbeitern jüngst Abfindungen gesichert, die sie ohne Betriebsrat nie durchgesetzt hätten.