„Konzentrierter Fachverstand“

Die Vereinigung Deutscher Reisejournalisten (VDRJ) lobt den besten Reiseteil aus, kürt die schönsten Reportagen. Mitglieder sind Journalisten, aber auch Pressesprecher touristischer Unternehmen und Geschäftsführer von PR-Agenturen. Gespräch mit Jürgen Drensek, VDRJ-Vorsitzendem, über zu viel Nähe und zu wenig Distanz zwischen Journalismus und PR

Interview EDITH KRESTA
und GÜNTER ERMLICH

taz: Herr Drensek, wird der Servicecharakter, der Nutzwert für den Leser, im Reisejournalismus immer wichtiger?

Jürgen Drensek: Zu Beginn des Massentourismus vor 50 Jahren war jeder Reisebericht, zum Beispiel über die Adria, per se Service, weil damals die große weite Welt nur für wenige Menschen touristisch erfahrbar war. Damals musste man den Lesern noch die wesentlichen Infos geben: Wie bestelle ich einen Kaffee? Was ist der Unterschied zwischen Espresso und Cappuccino? Je reiseerfahrener die Leute aber wurden, desto mehr konnte man ihnen auch das Coffee-table-Reisen vermitteln.

Und wie ist es heute?

Es gibt sehr unterschiedliche Formen von Reisejournalismus. Jede Zeitung, ob Bild oder FAZ, muss für ihre Leser die adäquate Form finden. Daher kann man nicht sagen, ob ein guter Reiseteil Mehrwert bzw. Service-orientiert oder feuilletonistisch ausgerichtet sein muss.

Reiseredaktionen benutzen verstärkt PR-Material und nehmen aufgrund schmaler Budgets gerne Einladungen zu Pressereisen wahr. Ist der Einfluss von PR-Agenturen zu groß?

Natürlich ist mir jede Reise, die auf eigenen Ideen basiert, selbst finanziert ist und unabhängig von Dritten erfolgt, die liebste. Doch die meisten Reiseredaktionen können die Reisen nicht aus eigener Tasche finanzieren. Und freie Journalisten könnten nicht existieren, wenn sie Recherchereisen selbst bezahlen müssten.

Schadet die Alimentierung durch die Tourismusindustrie der journalistischen Unabhängigkeit?

Natürlich schadet sie. Wohl keiner kann sich von der Vorstellung frei machen: Wenn ich eine Woche auf der Pressereise nett betreut worden bin, kann ich doch nicht schreiben, dass das touristische Angebot eigentlich alles Mist war. Diese innere Schere im Kopf ist schon da. Aber ich bin diese verlogene und realitätsferne Diskussion und den ewigen Vorwurf leid: Die Industrie bezahlt euch, deshalb könnt ihr Journalisten nicht unabhängig sein. Dann sollen die Verlage für einen unabhängigen Reisejournalismus auch die Recherchereisen finanzieren. Aber das macht kaum ein Unternehmen. Als vorbildlich fallen mir da nur das ADAC-Reisemagazin und teilweise Geo Saison ein.

Grundprinzip journalistischen Handelns ist die Distanz zum Gegenstand der Berichterstattung. Ist diese unter diesen Umständen für Reisejournalisten überhaupt möglich?

Das hängt stark von der Persönlichkeit des Journalisten ab. Aber auch von der Verbreitung und Auflagenstärke einer Zeitung. Kein Veranstalter, keine PR-Agentur wird einer bedeutenden Zeitung mit Liebesentzug drohen und sagen: Mit der FAZ haben wir schlechte Erfahrungen gemacht, die nehmen wir auf keine Pressereise mehr mit. Freie Journalisten oder kleine Regionalblätter sind da ungeschützter. Wenn du als Freier nicht mehr eingeladen wirst, dann bist du beruflich tot.

Sie sind Vorsitzender der Vereinigung deutscher Reisejournalisten (VDRJ), die sich als Vereinigung von Fachjournalisten versteht. Warum sind aber auch der Pressesprecher von TUI, die Direktorin des Schweiz Tourismus und Geschäftsführer von PR-Agenturen bei Ihnen Mitglied?

Gegenfrage: Wie viele Mitglieder in den offiziellen Journalistenverbänden, dem DJV oder der IG Medien, sind Pressesprecher oder PR-Kollegen? Vom Gefühl würde ich sagen, bestimmt 30 Prozent. Journalismus ist ein weites Gebiet. Auch ein Pharmareferent kann Mediziner sein. Wir im VDRJ sind da weiter, weil wir offen dokumentieren, wer was in unseren drei Kreisen macht.

Wie sieht denn die VDRJ-Organisationsstruktur aus?

Im Arbeitskreis sind Printjournalisten und Fotografen, Filmemacher und Radioleute. Im Partnerkreis sind als eigene Sektion – quasi in einem Verein innerhalb der Vereinigung und mit anderen Rechten – Kollegen aus der PR-Branche. Das sind ja zum Teil auch Fachjournalisten, die jetzt nur einen Job auf der anderen Seite des Schreibtischs machen. Wie Robin Zimmermann, der Pressesprecher der TUI, oder Klaus Dietsch, sein Pendant von Studiosus. Diese Kollegen sind willkommene Mitglieder für den Gedankenaustausch, aber auch um Probleme anzusprechen, was innerhalb einer Vereinigung einfacher geht als über den offiziellen Dienstweg. Und im Freundeskreis sind Mitglieder, die aus Alters- oder sonstigen Gründen heute nicht mehr aktiv sind.

Reisejournalisten und PR-Mitarbeiter sitzen also bei der VDRJ in einem Boot. Ist das in Anbetracht der Kritik an der Nähe von PR und Reisejournalismus für einen Interessenverband der Journalisten nicht zu verbandelt?

Natürlich könnte man sagen: „Um Gottes willen, bloß kein PR-Mensch in unserer Nähe“, aber das wäre weltfremd. Außerdem gibt es Bedarf aus dem Reise-PR-Bereich nach einem Ort zum Austausch. Es ist doch sinnvoller, den Fachverstand im Reisebereich an einer Stelle zu konzentrieren – also dem VDRJ mit seiner über 40-jährigen Tradition in Deutschland –, als einen eigenen Club zu gründen.