Städte sperren Kassenwarte

Das Experiment Bürgerhaushalt droht in NRW zu scheitern: Vielen Kommunen ist er kaum eine Meldung wert. „Sollen wir die Bürger an der Verwaltung des Mangels beteiligen?“, fragen sie

VON SUSANNE GANNOTT

Die Idee klingt gut: Der Bürger als Experte in eigener Sache soll mitentscheiden können, wofür seine Kommune das Geld ausgibt. In der Praxis kommt der so genannte Bürger- oder Beteiligungshaushalt allerdings nicht vom Fleck: Aus dem „NRW-Modellprojekt Bürgerhaushalt“ ist die Hälfte der beteiligten Städte wieder ausgestiegen. Und in Burscheid ist der Versuch Anfang Dezember sogar gescheitert, bevor er richtig begonnen hatte. Nur zwei Menschen kamen zur ersten Bürgerinformation über den Haushalt des 20.000-Einwohner-Städtchens im Bergischen Land.

Dass die Burscheider offenbar kein Interesse daran haben, ihren Kommunalpolitikern beim Geldausgeben auf die Finger zu schauen, führt Stadtsprecher Dirk Runge auf die desolate Haushaltslage zurück: „Wir haben in Burscheid keinerlei finanziellen Spielraum, deshalb gibt es für die Bürger wenig zu diskutieren.“ Denn mitreden könnten die Burscheider natürlich nur über die Verwendung der „freiwilligen Leistungen“ ihrer Stadt. „Und die sind wegen des Haushaltsdefizits schon auf ein Minimum reduziert“, so Runge.

Auch in Hamm und Castrop-Rauxel, zwei der sechs Kommunen, die im Rahmen des NRW-Projekts seit dem Jahr 2001 die Bürgerbeteiligung erprobt haben, wurde das Unternehmen mangels Geld wieder eingestellt. „Wir hätten die Bürger nur noch an der Verwaltung des Mangels beteiligen können“, erklärt Frank Neuschulz aus der Kämmerei in Castrop-Rauxel. Noch drastischer formuliert es der Hammer Stadtsprecher Christian Strasen: „Wir wollen die Bürger ja nicht nur fragen: Wollt ihr lieber das Jugendzentrum schließen oder das Schwimmbad?“

Tatsächlich scheint das Gelingen eines Bürgerhaushalts eng mit der Frage der Finanzen zusammenzuhängen. Die drei NRW-Modellstädte Vlotho, Hilden und Emsdetten, wo das Projekt funktioniert und weiter praktiziert wird, haben vergleichsweise wenig Geldsorgen. „Bei uns herrscht nicht so ein Leidensdruck, wir sind nicht im Haushaltssicherungskonzept“, sagt etwa Hildens Amtsleiter für Finanzen, Heinrich Klausgrete. Dasselbe vermeldet Stadtsprecherin Erika Leuteritz aus Emsdetten: „Finanziell ist die Situation bei uns etwas entspannter.“

Aber Bürgerhaushalte scheitern nicht nur am fehlenden Geld. In Monheim, ebenfalls NRW-Modellkommune, hat man sich von dem Projekt verabschiedet, weil der personelle und organisatorische Aufwand der Verwaltung in keinerlei Relation zum Ergebnis gestanden habe, wie Stadtsprecher Michael Hohmeier erklärt. „Das Interesse war von Anfang an nicht besonders groß. Wenn 20 bis 30 Leute kamen, war das schon ein Erfolg.“

Jährlich drei Infoveranstaltungen und eine Bustour hat die Monheimer Verwaltung organisiert, um den Bürgern den Haushalt zu erklären, erzählt der stellvertretende Kämmerer von Monheim, Guido Krämer. Die dort gesammelten Anregungen und Beschwerden seien dann in die Haushaltsberatungen des Stadtrats eingeflossen. „Aber umsetzbare Dinge sind dabei eher selten herausgekommen.“

Insgesamt sei der Aufwand der Verwaltung daher tatsächlich zu hoch gewesen. Eine mögliche Erklärung für das Scheitern des Bürgerhaushalts hat Krämer auch: Man müsse sich schon fragen, ob seitens des Bürgermeisters genug Engagement gezeigt wurde. „Nur wenn sich Politik und Verwaltung mit dem Projekt identifizieren, kann man es auch den Bürgern nahe bringen.“

„Mangelhafte Ausführung“ lautet auch der Vorwurf der Burscheider Grünen an die Adresse ihrer Stadtverwaltung. Dass fast niemand zu der „Bürgerinfo“ am 2. Dezember gekommen ist, sei vor allem der kurzfristigen Ankündigung geschuldet, beschwerte sich der grüne Ratsherr Harald Wolfert. Tatsächlich hat man sich mit der Einladung der Bürger nicht allzu viel Mühe gegeben: Während andere Städte zu ihren Bürgerhaushalts-Veranstaltungen oft sogar persönlich einladen, gab die Stadtverwaltung Burscheid lediglich eine Pressemitteilung heraus – und das erst eine Woche vor der Veranstaltung.

Fürs Erste ist die Sache damit gelaufen: Der Burscheider Haushalt wurde am vergangenen Mittwoch ohne Bürgerbeteiligung verabschiedet.