Weiter auf der Suche nach dem schönen Spiel

DFB-AUSWAHL Auch vor der zweiten Qualifikations-Partie gegen Kasachstan wird über die Idee eines stürmerlosen Angriffs geplaudert

„Die anderen Nationen interessieren mich nicht. Wir wollen zeigen, was wir draufhaben“

MESUT ÖZIL

AUS HERZOGENAURACH FRANK HELLMANN

Der Wind pfeift eisig um den Olympiaring in Herzogenaurach. Auch hier, im Mekka der deutschen Sportartikelindustrie, will der Winter einfach nicht weichen, weshalb die etwa zwei Dutzend Autogrammjäger, zumeist Eltern mit Kindern, immer mal wieder Einlass ins Hotel Herzo-Base verlangen, in dem die deutschen Nationalspieler vor dem zweiten WM-Qualifikationsspiel gegen Kasachstan untergebracht sind. Die Unterschrift eines schüchternen jungen Mannes ist dabei immer besonders gefragt: Mesut Özil.

Der Fanclub Nationalmannschaft hat bei seiner Abstimmung zum „Spieler des Jahres 2012“ eben den Real-Profi gekürt, weshalb der 24-Jährige nun am Dienstag im ausverkauften Nürnberger Stadion vor Anpfiff einen großen Pokal erhält. Teammanager Oliver Bierhoff ist, wie kann es anders ein, voll des Lobes. Der Deutschtürke sei eben auch eine Symbolfigur für die geglückte Integration. „Beim Fußball ist doch egal, wo die Menschen herkommen und welchen Glauben sie haben“, hat Özil am Sonntag in der World oft Sports des DFB-Ausrüsters gesagt.

Aber eigentlich waren Teammanager und Taktgeber ja erschienen, um zu versichern, dass auch das zweite Kräftemessen gegen die Kasachen nicht nur eine lästige Pflichtübung sei. „Wir wollen den Leuten wieder schönen Fußball zeigen“, beschied Özil, dessen schlichte Wortwahl gut zu seinem schnörkellosen Spiel passt. Doch dass die deutsche Kombinationsmaschinerie noch nicht die Qualität des spanischen Passwirbels besaß – trotz rekordreifer 953 Pässe –, war am Freitag auch offensichtlich. Den kritischen Worten von DFB-Präsident Wolfgang Niersbach am Sonntag schloss sich Bierhoff vorbehaltlos an: „Wir haben den Faden verloren, das Tempo rausgenommen, zu leicht den Ball verloren. Das ärgert mich.“

Özil wollte indes weder diese Thematik vertiefen noch hatte er angeblich mitbekommen, dass seine spanischen Klubkameraden nur ein dürres Remis gegen Finnland zustande gebracht haben; dass Cristiano Ronaldo mit Portugal gegen Israel zu straucheln droht. „Die anderen Nationen interessieren mich nicht. Wir wollen zeigen, was wir draufhaben.“ Er hätte auch sagen können: Ich will doch nur spielen. So wie seinerzeit im „Affenkäfig“ genannten eingezäunten Bolzplatz in Gelsenkirchen-Bulmke.

Dank des schwedischen Ausrutschers in Irland zielt die Ausrichtung der deutschen Zauberfüße mittlerweile darauf, schon vor dem 15. Oktober – dann steht die letzte Partie in Schweden an – die Direktqualifikation für die WM 2014 sicherzustellen. Niemand zweifelt daran, dass nach dem 3:0 auf dem Kunstrasen von Astana (Bierhoff: „Die Muskeln sind danach angespannter“) noch irgendwelche Schwierigkeiten aufkommen. Doch Bierhoff hat ungefragt die Erwartungshaltung für das Turnier in Brasilien ein ganzes Stück heruntergeschraubt: „Es ist für uns fast ein Ding der Unmöglichkeit, die WM zu gewinnen“, rief der Manager unvermittelt aus. Die logistische Herausforderung sei gewaltig, und südamerikanische Mannschaften seien auf dem eigenen Kontinent „meist voraus“.

Eine überraschende Aussage, wo doch Fußball-Deutschland gerade das weltmeisterliche „spanische System“ debattiert. Selbst wenn Mario Gomez seine Zerrung nicht rechtzeitig auskuriert, wäre das kein Problem – die nominell stürmerlose Alternative im Repertoire gefällt. Der am Freitag zweckentfremdete Mario Götze spricht von „einer Variante, die man einstreuen kann“. Auch am Dienstag? Drei Veränderungen kündigen sich in der Startelf ohnehin an: Für den wegen seiner Gelb-Sperre nach München zurückgeflogenen Bastian Schweinsteiger dürfte Ilkay Gündogan beginnen, dem das Frankenland – er hat lange beim 1. FC Nürnberg gespeilt – ja noch recht vertraut ist. Und für den wegen einer Gehirnerschütterung abgereisten Julian Draxler sollte der zuletzt gesperrte Marco Reus zum Einsatz kommen – möglicherweise sogar im Wechselspiel mit dem Dortmunder Kollegen Götze in der Spitze. Fraglich noch, was aus Benedikt Höwedes (Muskelverhärtung) wird – sollte der Schalker passen müssen, stände Jerome Boateng parat, was zumindest gegen Kasachstan kein Risiko bedeuten dürfte. Und dann sind zur Sicherheit am Sonntag ja auch noch der Hamburger Marcell Jansen und der Mönchengladbacher Patrick Herrmann nachnominiert worden.