Spanier demonstrieren ihre Einheit

Zehntausende protestieren in Madrid gegen das neue und erweiterte Autonomiestatut für Katalonien. Die konservative Opposition wirft den regierenden Sozialisten eine „Fragmentierung“ der Nation vor und spricht von Verfassungsbruch

AUS MADRID REINER WANDLER

Es war die Demonstration der Fahnen. Überall auf der Puerta de Sol, dem zentralen Platz der Hauptstadt Madrid, wehte am Samstag die rot-gelb-rote Insignie des Landes. Dazwischen waren hunderte von Fahnen der 17 autonomen Regionen zu sehen. „Mit der Verfassung“ stand in großen Lettern über der Bühne.

Zwischen 50.000 und – je nach Quelle – 200.000 Menschen waren drei Tage vor dem 27. Jahrestag der aktuellen spanischen Carta Magna einem Aufruf der konservativen Volkspartei (PP) gefolgt und zu dem Platz gekommen, auf dem der Nullpunkt des spanische Fernstraßennetz liegt. Ein Symbol für das Anliegen der Demonstranten: die Einheit Spaniens zu wahren. An der Demonstration nahmen die gesamte PP-Führung, die Ministerpräsidenten der konservativ regierten Regionen sowie der frühere Regierungspräsident José María Aznar teil.

„Wir sind eine Nation freier und gleicher Bürger und nicht eine Nation der Nationen“, rief der PP-Chef Mariano Rajoy seinen Anhängern zu. Rajoy kritisierte die Politik der Sozialisten von Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero. Dieser betreibe die „Fragmentierung“ der spanischen Nation und verstoße damit gegen den Geist der Verfassung von 1978.

Die Proteste richteten sich vor allem gegen das neue Autonomiestatut für Katalonien, die Region rund um die nordostspanische Mittelmeermetropole Barcelona. Der Text, den Zapateros Sozialisten in Katalonien zusammen mit den Nationalisten ausgearbeitet haben, geht weiter als das bisherige Autonomiestatut. Katalonien wird als „Nation“ bezeichnet, die sich weitgehend selbst regieren soll. Dazu soll die die Autonomieregierung die Steuern selbst eintreiben und aushandeln, was an die Zentrale abgegeben wird.

Die Beziehungen zwischen Katalonien und Madrid sollen rein „bilateraler“ Natur sein. Zudem soll das höchste Gericht Kataloniens das spanische Verfassungsgericht in der Region als oberste Instanz ablösen. Der Entwurf beruft sich auf die „historischen Rechte“ Kataloniens. Die Region zeichnet sich durch eine eigene Sprache und Kultur aus.

„Lasst uns nicht die alte Sprache der historischen Rechte, der mittelalterlichen Souveränität oder der unfreien Völker sprechen“, sagte Rajoy auf der Kundgebung und verlangte ein Spanien, in dem alle die gleichen Rechte haben, egal wo sie leben. Für die PP Rajoys ist das Autonomiestatut voller Verfassungsbrüche. Zwar hat Zapatero zugesichert, das Statut im Parlament in Madrid überarbeiten zu lassen, doch das reicht Rajoy nicht. Er sehe es am liebsten, wenn der Entwurf nach Barcelona zurück überwiesen worden wäre.

„Egal wie viel Lärm die PP macht, keiner wird das Statut stoppen“, reagierte die aus Sozialisten, Postkommunisten und Nationalisten bestehende Autonomieregierung Kataloniens. Die Demonstration richte sich gegen Katalonien und die Katalanen als solche. Während Regierungschef Zapatero selbst zu den Vorwürfen der PP schwieg, warf Verteidigungsminister José Bono, der sich immer wieder kritisch zum katalanischen Statut geäußert hat, der PP vor, „Hass unter den Spaniern zu schüren“.

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