Streit um Fluss-Stau: Theater an der Ems

Die Papenburger Meyer-Werft möchte, dass der Fluss länger und höher aufgestaut wird. Geht es nach Niedersachsens Innen- und Umweltministerium, soll „zugunsten“ des Antrags entschieden werden.

Für Kreuzfahrt-Riesen braucht die Ems mehr Wasser: Überführung der "Aida Stella" im Januar. Bild: dpa

LEER taz | Vögel werden absaufen, denn der Ems stehen neue Eingriffe bevor. Aber das „öffentliche Interesse“, in diesem Fall das der Papenburger Meyer-Werft, wird höher bewertet: Der Landkreis Emsland hat beim Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz – kurzNLWKN – eine Ausweitung der Stauzeiten für das Emssperrwerk beantragt. Für die Werft, die ihr Geld vornehmlich mit dem Bau von Riesen-Kreuzfahrtschiffen verdient, soll eine „Flexibilisierung“ der Emsstaus erreicht werden. Ein Geschmäckle bekommt das Verfahren durch eine Vereinbarung zwischen den niedersächsischen Ministern des Inneren und der Umwelt.

Danach wurde im NLWKN eine begleitende Projektgruppe eingerichtet, die den Antrag – so wörtlich – „zugunsten“ der Werft vorbereiten soll. Als die Naturschutzverbände WWF, Nabu und BUND deshalb einen Befangenheitsantag gegen das NLWKN stellte, wies die Behörde das zurück. „Wir kennen diese Vereinbarung gar nicht und entscheiden nur aufgrund von fachlichen Kriterien“, dementieren die beiden NLWKN-Vorsitzenden Dorothea Klein und Bernd Stickelmann. „Das muss überprüft werden“, sagt die Grünen-Landtagsabgeordnete Meta Janssen-Kucz. „Es ist üblich, dass verfahrensbegleitende Projektgruppen eingeführt werden, aber selbstverständlich muss das Verfahren offen sein.“ Der örtlichen Ostfriesen-Zeitung sagte sie vergangene Woche: „Die ökologische Qualität des Gewässersystems Ems muss mittel- und langfristig verbessert werden. Es darf keine weiteren Vertiefungen geben.“

Die Umweltverbände allerdings haben sich in eine Zwickmühle manövriert. Sie selbst hatten in einem weitgehend geheimen Vertrag mit der Meyer-Werft eine Erweiterung der Emsstauungen vorgeschlagen. Meyer hat das Angebot jetzt dankend angenommen. So ging es den Naturschutzverbänden auf dem Erörterungstermin nicht mehr um eine Verhinderung der Staus, sondern nur noch um eine Aufwertung der Ausgleichsmaßnahmen.

Im frisch geschlossenen Koalitionsvertrag in Niedersachsen heißt es:

Schlick: "Das Land unterstützt den Bund (…), um durch technische Maßnahmen den Schlickanfall zu reduzieren. Auf der Basis der Ergebnisse der Versuche, mit einer besonderen Steuerung des Emssperrwerks die Schlickmengen in die Außenems zurückzuführen, können Entscheidungen über das weitere Vorgehen getroffen werden."

Stau: "SPD und Grüne sind sich darüber einig, dass die zwischen Umweltverbänden, einer an der Ems ansässigen Werft und der Landesregierung vereinbarten Regelungen zum Sommerstau - Aufstau der Ems zur Überführung von Schiffen in die Nordsee - nicht verändert werden sollen. Die Parteien erwarten, dass mit der Umsetzung von Maßnahmen zur Verbesserung der ökologischen Qualität des Gewässersystems Ems (…) positive Effekte auf die Region ausgehen."

Schriftlich teilte Elke Meyer vom Nabu Niedersachsen der taz.nord mit: „Die Verbände haben in einer Vereinbarung mit der Meyer-Werft, die den Vogelschutz betrifft, zugestimmt, dass sie bei ausreichenden Kohärenz- und Kompensationsmaßnahmen, d. h. nachweislich zusätzliche, nutzbare und optimierte Flächen für Brut- und Rastvögel, einer Verlängerung um 14 Tage zustimmen würden.“ Daraufhin habe das Land Unterstützung zur Sicherung und Entwicklung zusätzlicher Flächen insbesondere für Wiesenbrüter zugesagt. Diese Kompensationen wurden jedoch nicht umgesetzt. „Dies ist nicht tragbar“, findet der Nabu.

„Wann hätte die Meyer-Werft schon jemals ihre Versprechen eingehalten?“, kommentiert’s ein Ems-Anlieger. Tatsächlich hieß es Anfang der 1990er-Jahre nach der Vertiefung der Ems auf 7,30 Meter, der Fluss werde nicht weiter verändert. „Jetzt ist Ende der Fahnenstange“, so Werftchef Meyer damals. Inzwischen hat die Ems eine Bedarfstiefe von 8,50 Meter.

Zurzeit wird die Ems im März und im September für die Überführung von Kreuzfahrtschiffen gestaut – der Winter- beziehungsweise Sommerstau. Eine Ausweitung im September ist wegen des dann drohenden Sauerstoffmangels nicht möglich. Die jetzt beantragte Verlängerung des Winterstaus vom 15. bis zum 31. März, eine Erhöhung von derzeit 1,75 Meter auf 2,70 Meter und die Ausweitung der Stauzeit von zwölf auf bis zu 52 Stunden werden nach Meinung von Experten zum Absaufen von Brutgelegen führen, denn Mitte März beginnt die Brutzeit der Wasser- und Wiesenvögel.

Ob das NLWKN seine Entscheidung über den Antrag bis zur Etablierung der neuen, rot-grünen Landesregierung verschiebt, ist fraglich. Schiffbauer Meyer hat um sofortigen Vollzug gebeten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.