Vor dem Gerichtshof für Menschenrechte: El Masri klagt gegen Mazedonien

Bisher hat das Ulmer CIA-Opfer Khaled El Masri nur gegen die USA geklagt. Jetzt geht er auch gegen Mazedonien vor, wo das Unrecht vor acht Jahren begann.

Khaled El Masri wurde von der CIA entführt und misshandelt. Bild: dapd

STRASSBURG taz | „Wenn es je einen Fall gab, der vor diesen Gerichtshof gehört, dann ist es der Fall von Khaled El Masri.“ Das erklärte am Mittwoch Anwalt James Goldson vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg. Der Deutsch-Libanese El Masri klagt dort gegen die Beteiligung Mazedoniens an seiner Entführung und Folterung durch den US-Geheimdienst CIA vor acht Jahren.

Der Ulmer El Masri, der seit 1994 deutscher Staatsbürger ist, war Ende 2003 mit einem Reisebus nach Mazedonien gefahren, um dort einen billigen Urlaub zu verbringen. Die mazedonischen Grenzer holten ihn jedoch aus dem Bus, verdächtigten ihn, zu al-Qaida zu gehören und brachten ihn in ein Hotel in der Hauptstadt Skopje. 23 Tage lang hielt ihn der mazedonische Geheimdienst UBK dort gefangen. El Masri durfte niemand kontaktieren, weder seine Familie noch einen Anwalt noch die deutsche Botschaft.

Schließlich wurde er am Flughafen von Skopje CIA-Agenten übergeben. Die schlugen ihn erstmal zusammen und vergewaltigten ihn anal mit einem Gegenstand, um ihn unter Schock zu setzen, sagt Anwalt Goldson. Dann wurde er „wie ein menschliches Frachtstück“ mit einer gecharteten CIA-Maschine nach Kabul geflogen, wo er in einem Geheimgefängnis vier Monate lang misshandelt und verhört wurde. Am Ende merkten die Amerikaner, dass El Masri ungefährlich war. Sie brachten ihn deshalb zurück nach Europa und setzten ihn in Albanien an der Grenze zu Mazedonien aus.

Das war im Mai 2004. Der ungeheurliche Vorfall erregte großes öffentliches Interesse und wurde intensiv untersucht. Sowohl der Bundestag, als auch das Europaparlament und der Europarat hielten El Masri für glaubwürdig. Gegenüber der Bundesregierung räumte sogar die US-Administration einen Fehler ein. Es blieb aber unklar, ob El-Masri nur mit einem gleichnamigen al-Qaida-Mitglied verwechselt wurde oder ob ihn seine losen Kontakte zur Neu-Ulmer Islamisten-Szene verdächtig gemacht hatten. Die Entführung eines deutschen Staatsbürgers durch den CIA belastete jedenfalls das deutsch-amerikanische Verhältnis erheblich, zumindest in der Öffentlichkeit.

Vorwürfe an die mazedonische Regierung

Doch jetzt gerät erstmals Mazedonien ins Blickfeld. Anwalt Goldson, der El Masri im Auftrag der New Yorker Stiftung „Open Society“ von Milliardär George Soros vertritt, wirft dem Balkanstaat eine eindeutige Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention vor. Die dreiwöchige Gefangennahme in Skopje sei eine illegale Freiheitsberaubung gewesen. Den Gewaltexzess am Flughafen von Skopje habe die mazedonische Regierung geduldet und auch das Verschwindenlassen in Kabul müsse sich Mazedonien zurechnen lassen.

„Ohne die Übergabe an die CIA wäre das alles nicht passiert“, sagt Goldson. Die Regierung in Skopje habe wissen können, dass die USA im Rahmen ihres Programmes für „außergewöhnliche Auslieferungen“ Gefangene heimlich in andere Staaten transportiert, um sie dann ohne jeden rechtlichen Schutz mit in den USA unzulässigen Methoden zu verhören. „Trotzdem hat die mazedonische Regierung keinerlei diplomatischen Garantien verlangt und sich somit mitschuldig gemacht“, kritisiert Goldson.

Die mazedonische Regierung behauptet, man wisse nichts von einer CIA-Entführung. El Masri habe sich damals 23 Tage lang freiwillig in dem Hotel in Skopje aufgehalten und sei dann freiwillig in den Kosovo ausgereist. Diese dreiste Geschichte reichte die Regierung aber nur schriftlich ein. In der mündlichen Verhandlung beschränkte sie sich auf formale Argumente: Die Klage El Masris sei unzulässig, weil er sich zu spät an den Gerichtshof für Menschenrechte gewandt hatte.

Tatsächlich könnte die späte Klage-Erhebung zu einem echten juristischen Problem werden. Nach den Regeln des Gerichtshofs muss spätestens sechs Monate nach der letzten nationalen Entscheidung in Straßburg geklagt werden. Wenn deutlich zu sehen ist, dass es keine nationale Entscheidung geben wird, dann beginnt in diesem Moment die Sechs-Monatsfrist zu laufen.

Es kommt auf das Wohlwollen des Gerichts an

El Masri hatte Ende 2008 in Skopje Strafanzeige gegen unbekannte Beamte des mazedonischen Innenministeriums gestellt und, als nichts passierte, Mitte 2009 den Straßburger Gerichtshof angerufen. Die mazedonische Regierung argumentiert nun - durchaus selbstentblößend -, El Masri hätte schon viel früher als 2008 merken müssen, dass er von der mazedonischen Justiz nichts erwarten könne. „Aber er blieb jahrelang untätig“, warf ihm Regierungsvertreter Kostadin Bogdanov vor. Anwalt Goldson erwiderte, dass es in einem so komplexen Verfahren normal sei, wenn man 4,5 Jahre brauche, um Beweise zu sammeln.

In den USA hatte el Masri allerdings schon 2005 geklagt, erfolglos. „Dort ging es um Schadensersatz und im Zivilrecht sind die Beweisanforderungen niedriger als bei einem Strafverfahren wie in Mazedonien“, argumentiert Goldson. In der Verhandlung wurde klar, dass El Masri und seine Unterstützer auf das Wohlwollen des Gerichtshofs angewiesen sind, damit die Klage nicht als verspätet abgewiesen wird.

Die Große Kammer des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wird ihr Urteil in einigen Monaten verkünden. Falls Mazedonien verurteilt wird, muss der Staat el-Masri eine Entschädigung zahlen. Für den Kleinstaat, der in die EU strebt, wäre es aber vor allem ein diplomatischer Rückschlag.

Und Khaled el-Masri? Er nahm nicht selbst an der Verhandlung in Straßburg teil. Der 48jährige sitzt noch bis Juni in einem bayerischen Gefängnis. Seit seiner Rückkehr nach Deutschland ist er immer wieder ausgerastet, hat Feuer in einem Supermarkt gelegt und einen Kommunalpolitiker tätlich angegriffen. Die Strafrichter werten seine Traumatisierung zwar als strafmildernd, verurteilen ihn dann aber trotzdem. Zuletzt hatte El Masri in der Haft einen Vollzugsbeamten attackiert, weshalb er nun eine weitere Haftstrafe von vier Monaten absitzen muss.

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