Akquise: "Es gab gewisse Einsicht"

In den 80ern war Werbung verpönt, später stiegen die Leser wegen Atom-Anzeigen auf die Barrikaden. Ein Gespräch mit dem Leiter der Hamburger taz-Anzeigenabteilung über die Tücken des Geschäfts.

Bauchschmerzen wegen Werbekunden? Nur ganz selten bei Manfred Frenz. Bild: Miguel Ferraz

taz: War die taz der Ort, an dem Du dringend arbeiten wolltest?

Manfred Frenz: Ich habe zwar schon den Vorläufer der taz, den Informationsdienst für unterbliebene Nachrichten, gelesen. Aber geplant war das nicht.

Sondern?

Ich war einer der Wenigen zu der Zeit, die von Buchhaltung ein bisschen Ahnung hatten. Ich habe Speditionskaufmann gelernt und nach der Lehre noch zwei Jahre in der Buchhaltung gearbeitet. So etwas war in linken Kreisen damals ja nicht unbedingt üblich. Die meisten waren eher Sozialpädagogen oder sonst im sozialen Bereich unterwegs. Ich bin über einen Bekannten, der in der taz-Ini war, dort hineingerutscht. Eingestellt hat mich das Plenum.

Habt Ihr die Anzeigenabteilung dann sozusagen über Versuch und Irrtum aufgebaut?

Man muss sich vorstellen, dass ich für die Buchhaltung eingestellt wurde und dann hieß es: "Oh, wir brauchen ja eigentlich auch eine Anzeigenabteilung. Kannst Du die nebenbei mit aufbauen?" Und dann war es Learning by Doing. Man musste eine Preisliste erstellen und mit der Redaktion die Plätze festlegen, auf denen Anzeigen erscheinen durften. Es war ja in linken Zeitungen nicht so üblich, dass man Werbung hatte. Man musste darum kämpfen, dass sie erschien und die Redaktion nicht sagte: Da haben wir keinen Platz für, das macht uns die Artikel kaputt.

Kam das vor?

Es gab schon eine gewisse Einsicht, dass die Anzeigen erscheinen sollen, aber der Kampf ging darum, auf welcher Seite sie platziert wurden.

Kamen zuerst Kleinanzeigen?

Gar nicht mal. Der Hunger nach einer neuen Zeitung in Hamburg war groß und wir hatten in den ersten Wochen sogar die Elektronik-Kette Schaulandt im Blatt, die später von Hertie übernommen wurde. Die hatten erst einen Jahresauftrag gemacht und dann nach ein paar Wochen doch storniert, weil sie sich eine andere Zeitung vorgestellt hatten als die taz es letztendlich war. Wir hatten linke Buchläden als Kunden, Handwerkerkollektive, andere Druckereien, es war schon eine breite Palette. Natürlich auch Kleinanzeigen.

Für die Artikel bekommt die Redaktion immer mal wieder kritische LeserInnenbriefe. Sind die Leser auch mit den Anzeigen kritisch?

Früher war es so, dass sich viele Leser so mit der Zeitung identifizierten, dass sie den Anspruch hatten, wir müssten eine Qualitätskontrolle der Anzeigen gewährleisten, nach dem Motto: Wenn es in der taz steht, ist es gut. Und wenn es etwas Böses ist, ist die taz dran schuld. Das ist heutzutage noch so, wenn wir eine Vattenfall-Anzeige oder Ähnliches haben. Dann gilt nicht das Geschriebene in der taz, sondern dann sind wir die Bösewichter, die die Logik von Vattenfall verbreiten.

Hast Du Bauchschmerzen, wenn Du die Vattenfall-Anzeigen annimmst?

Nein, weil sie nicht gegen unsere Grundsätze verstoßen und ich davon überzeugt bin, dass unsere Leser mündig genug sind, selber zu entscheiden, ob sie diese Produkte konsumieren.

Was sind die Grundsätze?

Keine rassistischen, menschenverachtenden, kriegsverherrlichenden oder sexistischen Anzeigen.

Wäre in den Anfangsjahren eine Vattenfall-Anzeige denkbar gewesen?

Die Kollegen in Berlin waren diejenigen, die die ersten Kämpfe mit Leserreaktionen wegen Anzeigen pro Atomkraft ausfechten mussten.

Aber die Leser sind unfroh, wenn Vattenfall in der taz wirbt.

Natürlich sind sie unfroh. Du weißt doch, in Deutschland ist der Verräter in den eigenen Reihen immer der Schlimmste. Und so wird das empfunden.

Gab es in der Vergangenheit Anzeigen, die ihr abgelehnt habt?

Das gab es immer wieder: Grenzwertige Motive, Sex-Anzeigen oder obskure Kreditanbieter mit Wucherzinsen.

Ist es besonders schwierig, für die taz Anzeigenkunden zu gewinnen?

Es ist schon eine große Herausforderung, weil die taz immer noch bei vielen Entscheidern das Image einer Krawallzeitung hat. Für Leute, die die taz das letzte Mal in den 80ern gelesen haben, sind wir nach wie vor die Hausbesetzer- und Blockadezeitung.

Was sind Deine drei besten Argumente für eine taz-Anzeige?

Dass die taz, so wie die Stadt auch, nicht mehr aussieht wie in den 80er Jahren. Dass es in unserer Leserschaft viele Exklusiv-Leser gibt, die vielleicht noch ein örtliches Wochenblatt lesen, aber als Tageszeitung nur die taz. Und dass die taz hamburg über die Stadtgrenzen hinaus zahlreiche Pendler erreicht.

Gab es eine Anzeige, von der Du dachtest, hätten wir die mal lieber nicht gedruckt?

Es gab eine von einer Detektei, mit der ich Bauchschmerzen hatte. Die hat auch hinterher gesagt, die Resonanz war sehr gering. Wir sind nicht besonders reich daran geworden.

Weshalb die Bauchschmerzen?

Woanders würde es mir wahrscheinlich gar nicht auffallen. Aber in der taz ist so etwas schon überraschend. Es gibt Bereiche, die wir nicht aktiv akquirieren und da gehören Detekteien dazu.

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