Umstrittene Althusmann-Dissertation: Minister mit prekärer Bildung

Entlastung durch die Alma Mater: Der Chef der niedersächsischen Kultus-Behörde bleibt Doktor - und deshalb im Ministeramt. Welchem er sich nun wieder "unbeschwerter" widmen möchte.

Darf seinen Doktortitel behalten: Niedersachsens Kultusminister Bernd Althusmann (CDU). Bild: dpa

HANNOVER taz | Ein verfrühtes Geburtstagsgeschenk hat Niedersachsens Kultusminister Bernd Althusmann (CDU) von der Uni Potsdam bekommen: Dank ihr kann er am Samstag die Vollendung seines 45. Lebensjahres noch als Chef der obersten Schulbehörde des Landes begehen - weil er seinen Doktortitel behält.

Nach intensiver Prüfung war die Uni-Kommission zur Untersuchung wissenschaftlichen Fehlverhaltens zu dem Schluss gekommen, dass Althusmanns 2007 ohne Verlag publizierte Dissertation zwar "Mängel von erheblichem Gewicht" aufweise. Böse Absicht hat man darin jedoch nicht gesehen - eher schon ein Versäumnis von Doktorvater Dieter Wagner. Den kannte Althusmann noch vom Studium an der Hamburger Bundeswehr-Universität. Wagner wiederum hatte im Juli der Zeit anvertraut, nach sieben Jahren "das Ding dann über den Zaun gehoben" zu haben. "Die Entscheidung ist einstimmig gefallen", erklärte nun der Kommissionsvorsitzende Tobias Lettl.

Er sei "erleichtert", sagte Althusmann am Donnerstag in Hannover. Und das mit Grund: Minister ist er erst seit April 2010. Um ab dem 60. Lebensjahr Anspruch aufs Ruhegehalt von 2.295 Euro zu haben, muss man in Niedersachsen derzeit noch zwei Jahre und 247 Tage amtiert haben. Was nicht allen Kabinettsmitgliedern gelingt.

Offiziell muss sich nun auch die Niedersachsen-Union freuen, allen voran Ministerpräsident David McAllister. Der ist mit Althusmann persönlich eng verbunden. Als Stratege aber wird ihm dessen Verbleib im Amt Bauchschmerzen bereiten: Zwar mag Althusmanns Dissertation nicht justiziabel sein - aber rehabilitiert hat ihn die Potsdamer Kommission auch nicht.

Zudem hat die Arbeit eine deutlich höhere Publizität erlangt, als Edierweise und sperriger Titel zu bezwecken scheinen: "Prozessorganisation und Prozesskooperation in der öffentlichen Verwaltung: Folgen für die Personalentwicklung". Wie jede öffentliche Äußerung macht sie den Urheber angreifbar - zumal, wenn dessen Amtsbereich und sein urheberisches Ethos so offenkundig auseinanderklaffen. "Ein Makel bleibt", stellte SPD-Schulpolitikerin Frauke Heiligenstadt fest. "Wie kann Althusmann jetzt noch glaubwürdig dafür plädieren, dass Schüler nicht abschreiben dürfen?", fragte auch Kreszentia Flauger, Fraktionschefin der Landtagslinken. Ihm sei "offensichtlich der Titel wichtiger als die Qualität seiner wissenschaftlichen Arbeit" gewesen, wertete Gabriele Heinen-Klajic (Grüne) den Vorgang als Ausdruck eines zweifelhaften Bildungsverständnisses des zugehörigen Ministers.

Berufspolitiker ist Bernd Althusmann seit 1994. Zuvor war der Pastorssohn Bundeswehrsoldat - heute ist er Hauptmann der Reserve.

Sein Pädagogikstudium absolvierte er an der Bundeswehr-Universität Hamburg während seiner Offizierslaufbahn.

Im Fernstudium erwarb er den Betriebswirt an der privaten Süddeutschen Hochschule in Lahr.

Als externer Doktorand promovierte er zwischen 2000 und 2007 an der Uni Potsdam - da saß er längst im niedersächsischen Landtag, zuletzt als Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Fraktion an der Seite des damaligen Fraktionschefs David McAllister, in seinem Wahlkreis Lüneburg war er zugleich CDU-Kreisvorsitzender.

2011 ist Althusmann Präsident der Kultusministerkonferenz - Deutschlands wichtigstem bildungspolitischen Gremium.

Profitieren dürfte von Althusmanns Schwäche der von der Opposition angekündigte Wahlkampf mit dem Kernthema Bildung - der ja schon Stoff genug hat: Vor allem die verhärtete Linie des Kultusministers, Gesamtschulen zu verhindern und sogar bundesweit anerkannte Modelle wie die Göttinger IGS zu torpedieren, hat für erheblichen Unmut gesorgt. Noch bis Januar läuft ein Volksbegehren "für gute Schulen".

Solche kann das Land wahrscheinlich wirklich gebrauchen. So hat sein Gymnasialabschluss Althusmann zwar befähigt, etliche Seiten über E-Government vollzutippen - aber nicht, sagen wir: simple Tabellen unfallfrei aus pdf-Dateien zu kopieren (Vgl. Althusmann et al., v. a. 242, et passim). Was heilbar gewesen wäre - hätte er den Urtext verstanden. Bloß: Hat er das? Immerhin ist ihm der "Universalismus der Selektionskriterien", den der Soziologe Frieder Naschold als Strukturelement öffentlicher Verwaltung bestimmt, ein "Universelles Muss" geworden (Vgl. ebd., 23). Na, wenigstens kein Mus.

Den Beweis, es besser zu können, wird Althusmann nicht antreten: "Ich kann sie beruhigen, ich werde kein Buch schreiben", sagte er - und kündigte an, sich nun wieder "unbeschwerter" der Minister-Arbeit zu widmen.

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