Populismus sexistischer Prägung

betr.: „8.000 Mädchen werden täglich verstümmelt“, taz vom 25. 11. 2005

Dass Mädchenbeschneidungen – dort, wo sie existieren – von Frauen praktiziert werden, scheint auch im Aufmacher der taz keiner Erwähnung mehr wert und trägt damit zu dem undifferenzierten und inzwischen schon banalen öffentlichen Diskurs bei, der Gewalt gegen Frauen ohnehin grundsätzlich mit männlicher Täterschaft assoziiert und – dergestalt ideologisch aufgeladen – skandalisiert.

Schlimmer noch: Auf Seite 1 haut Ute Scheub mit ihrem polemischen Kommentar unter Stichworten wie Machismo, weltweite Epidemie und Komasaufen weiter in dieselbe demagogische Kerbe. Fast möchte man auf Seite 2 angesichts von Heide Oestreichs Überschrift „Nur der Dialog hilft“ aufatmen, da springt einem „Jede sechste Frau …“ (man kennt das schon) mitten ins Gesicht.

Und im Berlin-Teil geht’s dann im Interview gleich weiter – wer hätte anderes erwartet? – mit Zwangsverheiratung und der Forderung nach weiteren gesetzlichen Verschärfungen. Von einer Hinterfragung der zitierten statistischen Zahlen oder der Methodik ihrer Gewinnung keine Spur!

Mit diesem publizistischen Stil werden genau jene undifferenzierten und denunziatorischen Assoziationsketten erzeugt, die Elisabeth Badinter in einem im Sommer in L’Express publizierten Beitrag in Abgrenzung zu amnesty international ganz zu Recht ein „inventaire à la Prévert“ – zu deutsch: eine Art Gemischtwarenladen – nennt (www.lexpress.fr/info/societe/dossier/violenceconju/dossier.asp?ida=433633). Mit Verlaub: Das ist nicht nur schlechter Journalismus, sondern Populismus sexistischer Prägung.

REINHART STÖLZEL, Berlin