So gehts in die Insolvenz: Neustart nach der Pleite

Noch bis 1999 bedeutete der Konkurs das Ende. Wenn Arcandor nun Insolvenz anmeldet, könnte das auch einen Neuanfang markieren.

Eine Insolvenz muss nicht zwangsläufig auch das "Aus" bedeuten. Bild: dpa

BERLIN taz | Seit zehn Jahren können Firmen ihre Zahlungsunfähigkeit für einen Neustart nutzen. Als Nächstes dürfte der Karstadt-Mutterkonzern Arcandor diesen Schritt gehen.

29.291 Firmen meldeten im Jahr 2008 Insolvenz an. Dahinter verbirgt sich nicht mehr das endgültige Aus eines Unternehmens, wie es noch die Konkursordnung von 1877 vorsah. Das kaiserliche Recht war in Deutschland bis 1999 gültig und hatte vor allem die Verwertung des Restvermögens des insolventen Unternehmens, also dessen faktische Liquidierung, zum Ziel.

Das neue Insolvenzrecht hält nach Einschätzung des Insolvenzexperten Hans Haarmeyer viele Instrumente bereit, um das Überleben eines insolventen Unternehmens sichern. "Das deutsche Insolvenzrecht bietet das beste Sanierungsumfeld weltweit", sagt Haarmeyer, der das Deutsche Institut für Insolvenzrecht leitet.

Die Insolvenz schafft auch Entlastungen, die einen Neustart begünstigen. So werden Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften insolventer Firmen von der Bundesagentur für Arbeit finanziert. Sie zahlt auch drei Monate lang die Löhne und Gehälter weiter. Für die Pensionsansprüche der Mitarbeiter tritt bei einer Insolvenz der Pensions-Sicherungs-Verein der deutschen Wirtschaft ein.

In 95 Prozent aller Fälle wird die Insolvenz zu spät angemeldet, hat das Mannheimer Zentrum für Insolvenz und Sanierung herausgefunden. "Die allermeisten Insolvenzanträge werden erst ein bis zwei Jahre gestellt, nachdem die Insolvenz eingetreten ist", sagt Hans Haarmeyer. "Dadurch entstehen jährlich Schäden von circa 30 Milliarden Euro".

Einen Insolvenzantrag können sowohl Gläubiger als auch der Schuldner selbst beim zuständigen Amtsgericht einreichen. Innerhalb von Stunden muss dann der Insolvenzverwalter auf dem Hof der Firma stehen, um die Ausplünderung des Unternehmens durch die Gläubiger zu verhindern. Leasingpartner können so nicht mehr den Fuhrpark abziehen und Banken die auf Kredit gekauften Maschinen nicht mehr abtransportieren. Ist der willkürliche Zugriff der Gläubiger auf die angeschlagene Firma erst mal gestoppt, wird die finanzielle Lage des Unternehmens geklärt und werden Gesellschafter und Gläubiger angehört. Dadurch kann es drei Monate dauern, bis das Gericht das Insolvenzverfahren dann offiziell eröffnet.

Ein besonders sanierungsfreundliches Insolvenzverfahren wollte Bundeswirtschaftsminister Theodor zu Guttenberg (CSU) für den angeschlagenen Autobauer Opel durchsetzen. Er plädierte für das sogenannte Insolvenzplanverfahren. Gläubiger und Insolvenzverwalter können sich hier weitgehend autonom auf Maßnahmen verständigen, die auf die Sanierung des Unternehmens abzielen. Gemacht wird, worauf sich eine Mehrheit an Gläubigern und Forderungssummen entscheidet. Firmen wie der Schreibwarenhersteller Herlitz und die Bekleidungskette SinnLeffers wurden auf diese Weise erfolgreich saniert. Die Erfolgsaussichten einer Sanierung sind nach einer Studie des Kreditversicherers Euler-Hermes gut: Zwei Drittel aller insolventen Unternehmen mit mindestens 5 Millionen Euro Jahresumsatz haben Chancen auf eine Sanierung. Bei Firmen ab 500.000 Euro Jahresumsatz ist es immer noch jede zweite. Dennoch wurden seit Einführung des neuen Insolvenzrechtes nur 1 bis 2 Prozent aller Verfahren als Planinsolvenz abgewickelt.

Das liegt nicht zuletzt an den hohen fachlichen Anforderungen, die das Verfahren vom Insolvenzverwalter verlangt. Doch mit ihrer Qualifikation liegt einiges im Argen. Eine Ausbildung für den Job, den häufig Juristen, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer übernehmen, gibt es nicht. Im Prinzip kann jeder, der vom Richter als solcher bestellt wird, den Job übernehmen. "Nur 20 bis 30 Prozent der insgesamt 1.800 bestellten Insolvenzverwalter befassen sich ausschließlich mit Insolvenzen", sagt Insolvenzexperte Haarmeyer. Sie sind auch am erfolgreichsten: "Profis schaffen es, durchschnittlich 15 bis 25 Prozent der Forderungen zu decken", sagt Haarmeyer. Bei weniger spezialisierten Insolvenzverwaltern liege die Quote bei 2 Prozent oder weniger.

Auch bei Opel ist eine Insolvenz nicht vom Tisch, weil GM selbst Gläubigerschutz angemeldet hat. Sollte der Insolvenzverwalter von GM den Loskauf von Opel als eine nicht gerechtfertigte Vermögensverschiebung bewerten, darf er ihn rückgängig machen.

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