Warum Deutschland ins (Halb)-finale kommt: Beiß auf die Rippe, Frings!

Weil die Deutschen nicht zweimal gegen Kroatien verlieren, die Holländer aber Italien wieder schlagen. Alles bei der EM ergibt Sinn. Nur eins nicht: Warum schoss Mutu diesen Elfer?

Das gab's nur einmal... Bild: dpa

Die äußeren Bedingungen sollten perfekt sein. Im Stadion St. Jakob Park wurde für das Viertelfinalspiel ein neuer Rasen verlegt, und auch das Wetter könnte mitspielen: Am Abend drohen in Basel Niederschläge mit einer Wahrscheinlichkeit von 65 Prozent. Schweres Geläuf könnte den technisch weniger beschlagenen Deutschen zu Hilfe kommen. Der auf die Tribüne verbannte Bundestrainer Joachim Löw hofft auf den Einsatz der angeschlagenen Torsten Frings und Lukas Podolski. Ob Frings mit medikamentös betäubtem Rippenbruch auflaufen wird, ist noch fraglich. Ersetzen könnte ihn Thomas Hitzlsperger. Kann Podolski nicht spielen, könnte Kevin Kuranyi eine Chance bekommen. Ansonsten droht tatsächlich noch mal Mario Gomez an der Seite von Miroslav Klose. Der Gegner baut vor allem auf "Konzentration", sagt Cristiano Ronaldo, "wir wissen, dass wir uns keine Fehler erlauben dürfen". Trotz der durchwachsenen Auftritte der Deutschen müsse man "vor ihnen Respekt haben", findet Ronaldo, "die sind immer gefährlich." Pfeifen wird das Spiel der Schwede Peter Fröjdfeldt, 44.

Portugal (voraussichtlich): Ricardo - Ferreira, Carvalho, Pepe, Bosingwa - Moutinho, Petit, Simao, Deco, Ronaldo - Nuno Gomes

Deutschland (voraussichtlich): Lehmann - Lahm, Metzelder, Mertesacker, Friedrich - Schweinsteiger, Frings (Hitzlsberger), Ballack, Fritz - Klose, Podolski

Anstoß: Donnerstag, 20.45 Uhr, ARD

Zwei Möglichkeiten gab es, die EM 2008 zu einer wirklich denkwürdigen zu machen. Rumänien hatte die Chance, Italien und auch Frankreich in der Vorrunde aus dem Turnier zu feuern. Und Österreich stand an der Schwelle, dies mit den Deutschen zu tun und dabei - anders als in Córdoba 1978 - selbst weiterzukommen. Beide Chancen wurden vertan. Die jungen Österreicher waren zu schwach gegen Ballacks geballte Energieentladung. Die verunsicherten Rumänen agierten kläglich gegen Hollands B-Elf. Die Ursache liegt in der 81. Minute des Spiels Rumänien - Italien. Elfmeter für Rumänien beim Stand von 1:1. Mutu verschießt. Mit 1: 2 wäre Italien draußen gewesen. Hier ist ein Rätsel. Warum wollte Mutu diesen Elfmeter schießen?

Er nahm ohne Umschweife den Ball und ging zum Punkt. Bekanntlich spielt Mutu bei der Fiorentina in Florenz. Letztes Jahr in Italien zum Spieler der Saison gewählt; davor bei Juventus Turin Teamkollege von Buffon - dem er nun beim Elfer gegenüberstand. Hätte er Italien aus dem Turnier geschossen: Würden sie ihn nicht zerrissen haben bei seiner Rückkehr in Florenz? Was ist ihm durch den Kopf gegangen? Gibt es keinen Elfmeterschützen sonst bei den Rumänen? Um keinen Preis hätte ich dies Ding schießen wollen.

Nun bleibt Italien drin, wird von Spiel zu Spiel stärker; alles konzentriert sich wieder auf die üblichen Verdächtigen.

Mit einer Ausnahme: der Türkei. Bei der WM 2002 im Halbfinale, 2006 nicht qualifiziert, waren die Türken diesmal gegen die Schweiz und dann gegen Tschechien zweimal so gut wie aus dem Turnier. Als einziges Team gelang es ihnen, aus Rückständen Siege zu machen. Das derart unerwartete Überleben in einem Turnier erhöht massiv den Grad der Unverletzlichkeit. Grund, aus dem ich Italien vor Spanien sehe; und auch die Türken im Halbfinale.

Vermutlich gegen Löws Team. Warum? Erstens überleben auch die Deutschen gerade massiv; zweitens nähert sich ihre Aufstellung der stärksten Formation: Lahm auf links (bester Mann gegen Österreich); davor Schweinsteiger; Frings wird auf seine Rippe beißen und folgerichtig weniger unsinnige weite Pässe schlagen; Fritz (hoffentlich) verteidigen; Gomez geht auf die Bank. Ob Borowski oder Hitzlsperger auffüllen oder gar, im Lauf des Spiels, ein Westermann einen Metzelder ersetzt: Löw wäre aus seinem zögerlichen Aufstellungskonservatismus raus (was höchste Zeit ist); und Portugal, mit zu viel Vorschusslorbeeren beträufelt, seit der Niederlage im kleinen Finale Stuttgart 2006 aber mit Bammel vor den Deutschen, wäre mit Cristiano Ronaldo verabschiedet. Der hat schon mit ManU genug Erfolg und Glück auf dem Buckel für diese und die nächste Saison dazu. Das spürt am besten der Chelseaner Ballack.

Ob im Halbfinale gegen die Türken oder die Kroaten? Egal. Gegen "die Türken" verlieren "die Deutschen" nicht und gegen Kroatien nicht ein zweites Mal im selben Turnier. Das könnten aber die Italiener schaffen; zum zweiten Mal von den Holländern besiegt zu werden: die waren so überlegen; dieser Schock sitzt so tief bei Donadonis Haudegen wie bei den spritzigen Oranjes ihr Hochgefühl. Sie könnten leichtfüßig genug sein diesmal fürs Durchschweben ins Finale.

Nachdem alle Mannschaften einmal gespielt hatten, sagte Peter Unfried im Schnack am Telefon: "Wer war gut? Die Deutschen und die Holländer. Tippen wir die mal als Endspiel".

Nichts dagegen, sagte ich.

Ich hab Holland sowieso getippt als Europameister; und zwar vor dem ersten Spiel (haben alle gelacht). Wäre allerdings das erste Mal, dass ich bei so was recht behielte.

Nach dem zweiten Spieltag sah es dann anders aus, für die Deutschen. Nur die Holländer bestätigten. Jetzt, vor dem Viertelfinale, ist alles wieder drin.

Wie sehr die Deutschen die Österreicher wirklich gefürchtet haben, sieht man an der spontan aufgeflammten Trainerdiskussion: Viele sahen Löw schon in Wien geschlagen vom Platz schleichen und den Sammer aus der Kulisse treten.

(Bitte, bitte, bloß nicht!)

Diese Bürde ist nun abgefallen von Löws Kickern; gegen Portugal könnten wir sie ohne psychische Bleiwesten erleben.

Bleibt im Hinterkopf das Wunder Türkei: zweimal Siegtor in der Nachspielzeit. Zweimal, nachdem der Gegner, Schweiz und Tschechien, versäumt hat, uneinholbar in Führung zu gehen. Petr Cech im Tor der Tschechen, offenbar behext, schenkt ihnen das Tor zum Ausgleich.

So viel Glück ist unheimlich. Unheimlich, wie das Maß des Unglücks für die Schweiz. Wichtigster Spieler verletzt in den ersten Turnierminuten; zweimal späte Gegentore zur Niederlage. Womit nur haben sie sich den Zorn des Fußballgotts zugezogen?

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