Debatte USA: Wer steht für was?

Im US-Wahlkampf ist weiterhin nichts entschieden. Fast alle Kandidaten sind noch im Rennen. Daher ist es aufschlussreich, jeden einzelnen erneut auf sein Profil abzuklopfen.

Als wichtigste Regel für Wahlkämpfe gilt, dass die Kommentatoren nach jeder Umfrage, nach jeder Rede und nach jeder Abstimmung etwas umwälzend Neues zu berichten haben müssen. Nun sind aber großartige Veränderungen in der politischen Szenerie - zum Guten wie zum Schlechten - doch eher rar.

Hier daher meine Bewertung der Kandidaten: Für die Republikaner besteht die Herausforderung darin, die seit 35 Jahren bestehende Koalition zwischen Unternehmern und Evangelikalen aufrechtzuerhalten. Zwischen den Unternehmertypen, die das "small government" befürworten ("möglichst wenig Staat": wenig Steuern, soziale Leistungen und Marktregulierung), und den Evangelikalen, für die "small government" der beste Ausdruck für selbstverantwortlichen, autoritätskritischen Individualismus ist. Dieser wiederum stellt die Freiheit und Gewissensfreiheit für die einfachen Leute sicher. Zum Glück für die Koalition sind sich beide Seiten einig, dass für die Außenpolitik ein "big government" erforderlich ist. Eine Regierung also, die sich dafür einsetzt, wirtschaftliche und politische Freiheit und Liberalismus im Ausland zu verbreiten.

Doch diese Koalition ist nun bedroht. Der Ärger der Evangelikalen über die Irak-Politik ist genauso groß wie bei allen anderen Amerikanern. Schon beginnt eine lockere Gruppierung von Gläubigen, sich von Grundlagen der republikanischen Wirtschaftspolitik - des Zements der Koalition - zu distanzieren. Im Einklang mit dem Gebot Jesu, den Bedürftigen zu helfen (ganz im Sinne der "First Heritage"-Kirchen des Evangelikalismus), treten sie für eine Politik gegen übermäßigen Konsum, gegen Militarismus und für die Unterstützung der Armen ein. Wem werden sie aber am Ende ihre Stimme geben?

Auftritt Mike Huckabee - ein evangelikaler Priester, konservativ in Sachen Homosexuelle, Waffen und Gott. Er predigt populistische Ökonomie mit Slogans wie: "Die Leute wollen jemanden wählen, der so ist wie die Typen, mit denen sie zusammen arbeiten, und nicht wie der Typ, der sie rausgeworfen hat." Außerdem bekommen die Republikaner in Arkansas für gewöhnlich 5 bis 10 Prozent der Stimmen der Schwarzen; Huckabee kam, als Gouverneur, auf 30 Prozent. Das findet Anklang bei den "First Heritage"-Evangelikalen. Doch Huckabees bisherige Leistungen sind nicht so fortschrittlich wie seine Kampagne. Seine Steuererhöhungen zum Ausgleich des Haushalts und für eine bessere Bildung waren von den Gesetzen des Staates Arkansas bzw. durch Gerichtsbeschluss diktiert. Sein Wahlkampfthema, anstelle der bestehenden Steuern eine pauschale Umsatzsteuer zu erheben, ist sogar höchst rückschrittlich, und er unterstützt das "Versprechen" der mächtigen Anti-Steuer-Lobby "Americans For Tax Reform", niemals Steuern zu erhöhen. Zwar befand er, dass Kinder illegaler Einwanderer auch Schulstipendien erhalten sollten, aber gleichzeitig ist er ein "Law-and-Order"-Mann, der für die Überwachung der US-Grenzen und die Todesstrafe eintritt. Der Mensch, so sagt er, sei selbstsüchtig und werde nur durch das Eingreifen Gottes oder aus Angst vor Strafe richtig handeln. In der Außenpolitik tritt er zwar mehr als Bush für Verhandlungen mit Iran ein, unterstützt aber des aktuellen Präsidenten Politik im Irak. Den Krieg gegen den Terror betrachtet er als einen apokalyptischen Kampf der Kulturen, den zu gewinnen die Aufgabe des nächsten Präsidenten ist.

Kurz gesagt: Huckabee könnte die Evangelikalen für sich gewinnen; die "First Heritage"-Gruppe mit seiner populistischen sozialen Kampagne und die individualistisch-liberale Gruppe mit den von ihm tatsächlich vorzuweisenden Taten. Mithilfe der Unterstützung eines zentristischen Unternehmers und eines Falken in der Außenpolitik wie McCain, Romney oder sogar Giuliani oder Bloomberg besteht durchaus die Möglichkeit, die Chancen der Demokraten für den Sieg bei den Präsidentschaftswahlen ins Wanken zu bringen.

Die Demokraten: Die Problematik um Hillary ist dieselbe wie immer: Sie ist klug, kompetent und kennt sich in den Etagen der Macht aus. In New Hampshire befanden sie mehr Wähler für fähig, das Militär zu führen, als sie es Obama zutrauten. Trotzdem gibt es starke Antipathien gegen sie, die zum großen Teil geschlechtsbezogen sind. Sie stimmte für den Irakkrieg, doch das tat die Hälfte der Demokraten im Kongress auch, und gegen sie gibt es keine so starken Ressentiments. Sie war "verschlossen", wenn es um ihre Kommission zur Gesundheitsversorgung ging, aber Cheney, der sich in Bezug auf seine Energiekommission noch verschlossener gab, erntete politische Proteste, nicht aber Hass auf seine Person. Außerdem ist sie "kalt" - der Frevel schlechthin für eine Frau. Als sie in New Hampshire einen Moment lang mit feuchten Augen ihre feminine Seite offenbarte, stürzte sich die Presse gleich auf sie und behauptete, das sei "kalkuliert" gewesen, um Stimmen zu fangen. Hinzu kommt, dass alle Leute, die Bill hassen, auch sie hassen. Schlimmer noch: Leute, die den charismatischen Bill lieben, hassen sie. Habe ich übrigens schon erwähnt, dass sie "kalt" ist?

Kein Wunder, dass junge Menschen Obama lieber mögen - den Mann mit dem Tiger-Woods-Lächeln und der Martin-Luther-King-Message. Aber auch hier ist es wieder dieselbe Geschichte. Er ist klug, kompetent und lernt schnell, wie man sich auf den Etagen der Macht bewegt. Außerdem wird er am wenigsten mit der Ursache der Enttäuschung der Nation in Verbindung gebracht. Aber er ist auch deshalb am wenigsten mit den Makeln der Vergangenheit behaftet, weil er erst so kurz dabei ist - ganze drei Jahre sitzt er im Senat. Und wenn sich der stillschweigende Rassismus gegen seinen Sieg im ganzen Land doch noch regt?

Insgesamt sieht die Aufstellung wie folgt aus: Der Mann, der als Bill Clinton antritt, ist Huckabee. Allerdings ist er noch predigerhafter, noch kumpelhafter, noch populistischer als Clinton. Man nehme also einen klassischen republikanischen Zentristen hinzu und gewinne damit einen Haufen Stimmen.

Die Demokraten haben mit Hillary Bills Zentrismus ohne Bill. Oder sie haben Obama, einen Mann, der ikonografisch eventuell Antiamerikanisten weltweit zu denken geben wird. Er ist nicht der Boss-Typ, und er löst auch nicht alle die negativen Assoziationen aus, die mit dem imperialistischen Vordringen des weißen Mannes verbunden sind. Dadurch wird eventuell eine kleine Öffnung hin zu mehr Diplomatie und weniger Streitsucht geschaffen. Aber vielleicht ist ja auch keiner der beiden Demokraten landesweit wählbar. Daneben bleibt auch noch zu hoffen, dass es zu keinem terroristischen Anschlag (etwa zwischen Iran und Israel) kommt, der Amerika nach rechts drängen würde. Das wäre Anlass für jede Präsidentin/jeden Präsidenten, einen verschärften Militarismus zu vertreten, und das würde jede Öffnung zunichtemachen, die sich möglicherweise durch eine "Veränderung" ergibt.Aus dem Amerikanischen übersetzt von Beate Staib

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