Jürgen Klinsmann und der FC Bayern: Gott kommt erst noch

Mit Klinsmann als Trainer wird der FC Bayern das deutsche National-Team plus. Eines sportphilosophe Meditation über Münchener Möglichkeiten

Klinsmann geht einkaufen. Bild: dpa

Poldi und Schweini zeigten sich erfreut. Klinsmann? Oh ja, Sommermärchen. Bestens. Wunderbar. Und der Miro war auch dabei, closed circle, Juni 2006. Zauberfußball. Supertrio. Im Alltag damals noch verteilt auf Köln, Bayern, Werder. Vereint nur in Klinsis Team; und nirgends besser als da. Lang her schon. Nun aber alles Bayern - an der Säbener Straße, wo es keine Märchen gibt, nur eine harte Frage: "Wo, bitte, geht's zur Front?" - zum Erfolg.

Als bekannt wurde, dass Jürgen Klinsmann der neue Trainer des FC Bayerm wird, titelte die tageszeitung in der Wochenendausgabe 13./14. Januar: "Ist Gott tot?". Wir haben den Soziologen Klaus Theweleit gebeten, dieser Frage nachzugehen.

KLAUS THEWELEIT ist Professor für Kunst und Theorie an der StaatlichenAkademie der bildenden Künste Karlsruhe. Zuletzt von ihm erschienen:

International Flusser Lectures. Zur Gehirnveränderung durch die Medien.

Köln 2007. 4.80 Euro.

Nichts ist erfolgreicher als der Erfolg. Und nur im Erfolgsfall ist Hoeneß wirklich Hoeneß. Und da hat's gehapert. Was tun? Er sah sich um: Wer brillierte noch in Klinsmanns Team? Philip Lahm, an erster Stelle. Von Hoeneß als der Aufsteiger der WM gewürdigt (Lahm war zwar schon unter Völler in Portugal auffälligster DFB-Spieler, aber da noch als Leihgabe beim VfB. Scheiße.) Jetzt aber: bei uns! Dann dieser Nachrücker - Jungspund wie Poldi und Schweini - Marcell Jansen; Einwechsler, aber mit Zukunft. Das ergibt schon mal die offensivste Außenverteidigerzange in Europa. Was will der in Gladbach, zweite Liga beackern? Her mit ihm. Gute Spieler gehören (zu) Bayern, sowieso. Was sollen die in Leverkusen... in Hamburg? No Expectations. Und da waren es schon fünf (aus dem Sommermärchen) unter Bayernfahnen.

Da zeichnet sich doch ein Weg ab. Was will der Hoeneß? Was wollte Hoeneß immer schon? Den Erfolg - den er bei anderen gesehen hatte. Hitzfeld als Champions-League-Winner mit Dortmund: Her mit ihm. Leverkusen im Champions-League-Finale? Geht nicht. Her mit Ballack, Lucio, Zé Roberto, Leverkusens Besten. Und immer so weiter; sattsam bekannt inzwischen als Zugriff des Unersättlichen und auch akzeptiert (wegen real-bayrischer Geldsack-Übergröße). Unvermeidlich selbst für einen eigentlich Pensionierten: Wer außer Klinsmann hatte Erfolg gehabt als deutscher Trainer nach Ottmar Hitzfeld? Schaaf in Bremen (aber nicht genug Erfolg - nur Deutscher Meister, aber nicht mal Champions-League-Halbfinale, und genau da mindestens gehört der FC Bayern hin). Kulanter Rotator Hitzfeld wurde reaktiviert, da nachweislich mit Qualitäts-Überangebot bei den Bayern besser gefahren als der konkurrenzfixierte Magath, Unfelix. Das sollte der Ottmar bitte noch mal zeigen. Konnte wohl aber nicht wie er wollte.

Luca Toni auf die Bank, damit Poldi sich reinrotieren kann? Nebbich. Ribéry als Zuschauer? Der neue Kaiser Franck? Damit der Schweini dort rumrotieren kann? Geht nicht. Europäische Superstars rotieren nicht (auf der Bank). Sind auch gut auf dem Feld, aber das gibt noch keine europäische Spitzenmannschaft. Nicht mal, wenn man zwölf davon hat (siehe Chelsea - diese Spieler könnte allerdings nicht mal Bayern bezahlen). Und dann sowas: Unentschieden gegen englisches Mittelmaß, Bolton (oder wie die heißen). Geht nicht: Rummenigge degradiert Hitzfeld zum Mathematiklehrer. Der versteht - und meldet sich ab zum nächstmöglichen Termin. (Seine Jungstars flüchteten sich in Verletzungen - Gesicht wahren durch Maladen.)

Was nun? Klinsis halbes WM-Team steht schon bei uns auf dem Feld. Dazu ein paar Hochkaräter, die sich aber gegenseitig auf den Füßen stehen. Jansen lässt im kicker durchblicken, dass Ribéry ihm die Räume nimmt. Er ist ein stürmender Verteidiger, ein Super-Linksaußen. Auch für Schweini ist da kein rechter Platz auf der linken Seite. Für Poldi sowieso nicht; mit Toni und Klose vorne drin. Was tun, eh der abhaut und die Konkurrenz stärkt? Fragen wir also doch mal den Sommermärchenmann, der mit denen da so erfolgreich war, logisch. Auch wenn wir uns monatelang über »den Angeber aus Kalifornien« lustig gemacht haben. (War ja schließlich auch mal Bayer und Weltmeister unter Kaiser Franz.) Nichts ist erfolgreicher als der Erfolg. Und: Was schert uns unser (dummes) Gelächter von gestern? Das ist das Beste an Hoeneß, Beckenbauer & Co. - und das Verlässlichste: Prinzipien haben sie keine. Außer, genau, den Erfolg. Also: Her mit dem einzig Erreichbaren (wo Mourinho, Wenger, Benitez etc. unerreichbar sind und bleiben; und der Schuster fürs Erste durch die Lappen ist. Und sich bei Real auch noch gut macht - schöne Scheiße!). Ein weiterer italienischer Reinfall empfiehlt sich auch nicht gerade.

Und, ansteckend: kaum ist die Meldung mit Klinsmann durch, schweift auch schon der eigene Blick. Wen haben wir denn noch aus Klinsis Sommertraumtruppe. Da ist als erster: der Lehmann-Jens. Klinsis große Geheimwaffe gegen das ungeliebte Strafraummonster Olli Kahn. Der ist doch frei, kann gehen bei Arsenal - und lehnt Dortmund ab. Und schon sagt jemand im Autoradio, was mir gerade durch den Kopf geht: Lehmann nach München! Als Witz - ist aber exakt mit Hoeneß Kopf kombiniert. Der Clou danach im Teletext: Borowski, Klinsis Edeljoker und abtrünniger Werderaner, unterschreibt bei den Bayern. Da wären es, zieht man die Option Lehmann, schon sieben. Lehmann in Kahns höchst persönlichem Kasten: Das wär doch wirklich was. Ausgebuht in München bei der WM; nun glänzend gefeiert genau da: Der Stoff, aus dem die Herrn den Fußball gern möchten.

Und liegen da nicht noch ein paar wanderlustige O-Beine auf dem Grabbeltisch der Exklusiven? Frings - nee, den nicht. Der war schon da und ist glücklich wieder auf und davon. Aber wer ist denn unglücklich auf und davon? Gibt's da nicht den one-and-only Michael Ballack bei Chelsea? Ob's mit dem da noch mal was wird? Den nehmen wir gern zurück (wenn er das verbale Rumgeknicke von Halb-Boss Rummenigge mal vergisst). Dann wären es schon acht kleine Negerlein - man kann das ja auch mal andersherum singen. Und Nr. 9 wäre der Metze aus Madrid, wo ihm ein Cannavaro und andere Weltmeister ein bisschen sehr auf den Füßen stehen. Der kommt doch sicher auch, wenn Klinsi kräftig winkt von der Säbener Straße her und mit den allerbesten Jogi-Kontakten. Und was treibt der Robert Huth eigentlich im englischen Middlesbrough? Mit dem dauerverletzten Jungen konnte bisher keiner was anfangen. Aber kommt der nicht gerade wieder? Und wer hatte den je auf der Rechnung, wenn nicht Ziehvater Jürgen - der Klinsi.

Plan X - gedacht mit den circa fünf Köpfen der Bayern-Hydra: mit dem Bundes-Ex kommt nicht nur dessen Ex-Team, sondern das aktuelle DFB-Team ganz nach München und läuft am Wochenende auf als FC Bayern - ein paar Rotationen inklusive. Motivator Klinsmann wird's schon richten. (Und den Luca Toni, den all das etwas stören mag, entführt sowieso demnächst eine Garde spanischer Real-Matadore hinfort aus der Allianz-Arena. Unausweichlich.) Mit Poldi und Miro wird sich's aber auch machen lassen. Und dann Ballacks dritter Frühling. Borowski kann's auch auf rechts. Und: was macht denn der Hitzlsperger da noch beim schwäbischen VfB? Der will doch höher hinaus. Der Lucio spielt hier nicht ewig. Mertesacker? Auch nicht unerschwinglich. Warten wir mal die Saison ab. Und die EM - vielleicht liebt er dann das Team genug. Und Eigengewächs Toni Kroos klopft auch schon flott an die DFB-Türen. Es müssen aber nicht nur Deutsche sein. Klinsmann ist Internationalist. Diego also. So wird der FC Bayern mit Klinsi das deutsche National-Team plus. Wie es sich gehörte zu schönsten Schön-Zeiten: der DFB als Bayern-Dependance; und der Jogi wieder als Co-Trainer vom Jürgen - Hoeneß Traum aus Wortmanns Sommermärchen. Bloß: der Hoeneß ist kein Träumer, das ist ein Praktiker, ein Realist, ein traumhafter. Los, Jens, Koffer packen. Und Frings und Schneider? Die dürfen noch ein, zwei Jahre gastieren im Farm-Team der Bayern. Und demnächst wieder: Finale... auf möglichst allen Äckern. »Gott ist tot« titelte die taz zu Klinsmanns Herabstieg vom Olymp. Könnte bald heißen: "Gott: kommt erst noch".

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