Staudenmarkt II: Bittersüße Tomaten

In Gerhard Raschkes Garten wachsen Tomaten in allen Formen und Farben. Fünfzig Sorten kann man auf dem Staudenmarkt verkosten.

Hier immerhin zwei Sorten Tomaten Bild: Reuters

Rote Tomaten, gelbe Tomaten, rot-weiß marmorierte Tomaten und solche, die dunkel wie Auberginen sind - sie alle wachsen auf dem Feld von Gerhard Raschke. Tomaten in Eierform, Tomaten, die aussehen wie Paprika, Birnentomaten, Tomaten mit fast stachliger Spitze dazu. Auch riesige Tomaten sind darunter, die innen hohl sind, und ganz kleine Partytomaten, die in Trauben am Stock hängen. Manche schmecken würzig, manche mild. Manche haben ein säuerliches Aroma, andere schmecken süß wie Zucker.

Die Vielfalt ist überbordend. Wäre der Sommer nicht so verregnet gewesen, wären es noch viel mehr Sorten, meint Raschke. "Statt mit 200 verschiedenen, werden wir wohl mit etwa 50 Sorten zum Staudenmarkt fahren", sagt er und streicht über seinen Vollbart. Er hätte es lieber, wenn sein Feld am Rand von Luckau-Uckro in der Niederlausitz üppiger aussähe.

Steppenkerzen sind die andere Spezialität des 46-jährigen Gärtners. Manche nennen sie auch Wüstenschweif, Lilienschweif, Kleopatranadel. Es sind bis zu zwei Meter hohe Blumen mit riesigen Blütenrispen in hellem Rosa, Gelb, Orange. Manche wirken wie lodernde Flammen. Ungefähr 200 Sorten vertreibt Raschke. Genau kann er es nicht sagen. Jetzt im Herbst sind sie verblüht und stehen nur noch als braune, trockene Stängel mit fiedrigen Borsten und Samenkapseln auf dem Feld.

Sein Vater hat mit der Blumenzucht nach dem Krieg begonnen und zu DDR-Zeiten viele Medaillen für seine Steppenkerzen bekommen. Dem Nachfolger des väterlichen Lebenswerks aber hat auch da die Witterung schwer zugesetzt. Im vorletzten, eiskalten und langen Winter ist etwa die Hälfte des Bestands eingegangen.

Drei Jahre braucht man für die Aufzucht einer Steppenkerze. Das Wetter hat Raschke zurückgeworfen. Und seine Nierenerkrankung. Statt auf dem Feld zu stehen, hängt er stundenlang an der Dialyse.

Raschke will nicht resigniert klingen, aber ein wenig tut er es doch. Die Gartenarbeit sei eben schwer. Man ist abhängig von der Witterung, vom Boden, von der Gesundheit und letztlich auch vom Wirtschaftssystem, so sein kompaktes Fazit. Einer wie er, der sich als mittelmäßigen Geschäftsmann bezeichnet, hat gegen Gartencenter kaum eine Chance. Bei ihm ist es ja nicht Profitdenken, sondern Leidenschaft für die Blumen, die ihn treibt, immer wieder etwas Neues auszuprobieren. Derzeit interessieren ihn Kübelpflanzen und verschiedene blühende Lauchsorten. Davon zu leben, eine Familie zu ernähren, ist auf der anderen Seite nicht leicht.

Von diesem Alltag wird man wenig merken, wenn Raschke seine Tomaten auf dem Staudenmarkt zum Probieren anbietet. Mit ihrem leuchtenden Rot, ihrem warmen Gelb greifen sie nach dem Leben.

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