Montagsinterview Schauspielrein Maren Kroymann: "Bei Elvis kriegte ich Gänsehaut"

Lässt man sie, redet Maren Kroymann wie ein Wasserfall. Das habe sie lernen müssen, um mit den älteren Brüdern mithalten zu könnensagt die Schauspielerin, Satirikerin und Sängerin.

taz: Frau Kroymann, toll, dass Sie mir einen Einblick in Ihre Privatwohnung erlauben. Hier die Bücherwand, das Buch zum Altern ganz vorne, Ihre Freundin, Ihr Hund, die Geburtstagsgirlande, der Wäscheständer

Maren Kroymann: Das mach ich sonst echt nicht. Aber ich kann nachvollziehen, dass es hilfreich ist für so ein persönliches Interview. Sie schreiben ja nicht, um Details aufzugreifen und mich lächerlich zu machen, hoffe ich.

Eigentlich geht es darum, etwas von Ihnen zu verstehen. Sie wirken in Ihrer Vielseitigkeit unbestimmt. In wie vielen Welten lebt eine Schauspielerin, Kabarettistin, Sängerin, Entertainerin wie Sie eigentlich?

Das stimmt schon, das sind alles verschiedene Welten. Gar nicht bezogen auf die Fähigkeiten: Ich kann an einem Tag singen und schauspielern. Aber es ist jedes Mal ein anderes Universum. Das macht es so schwer, all das, was man kann, zu kommunizieren.

Wie meinen Sie das?

Nehmen Sie Shirley MacLaine oder Peter Ustinov. In deren Biografien passen spielen, schreiben, tanzen oder Regie führen zusammen. Über sie sagt man: Mensch, so vielseitig, wunderbar, großartig. Wenn man sehr berühmt ist, ist die Vielseitigkeit was Tolles, und eine Fähigkeit verstärkt die andere. Aber wenn man nicht so prominent ist, gilt das als unentschlossen und man muss sich mühsam von einer Welt in die andere hangeln.

So nach dem Motto: Die ist Kabarettistin, soll sie sich mal nicht übernehmen als Schauspielerin?

Jeder Bereich ist wirklich ein eigenes Universum mit eigenen Leuten, mit eigenen Preisverleihungen, eigenem Klatsch. Schauspieler sagen: Oh, die kann ja gut singen. Sänger fragen: Hast du die Texte selbst gemacht? Leute, die Schreiben, sagen: Die kann ganz gut spielen. Gelobt wird immer gern das Andere. Ich finde solche Abgrenzungen absurd. Warum ist es so schlimm, wenn man da überall reingehören will? Aber nein, jedem Genre seine eigene Haut.

Das klingt mehr nach Neid.

Mag sein. Ich glaube aber, dass wir alle unterschwellig so was wie Neid kennen. Was kann die? Ist die besser als ich? Gar bekannter? Oder hat sie sich nur hochgevögelt? Darüber hab ich übrigens mal einen Sketch gemacht. Man darf das auf die Schippe nehmen.

Hochvögeln - ist das noch gang und gäbe?

Ja schon. Wir leben doch in einer Gesellschaft, in der die Identität von Frauen - vor allem in den Medien - über den Körper definiert wird. Der muss gut ankommen. Vor allem bei Männern. Und man weiß ja: Regisseure, die einst Liebhaber waren, sind mitunter sehr treu. Die besetzen auch ihre früheren Geliebten. Da entstehen so haremsartige Großfamilien.

Woher wissen Sie das?

Ich beobachte die Auftragslage. Ich lese die Bunte. Da ich mich für Frauenkarrieren interessiere, ist die Yellowpress hoch aufschlussreich. Wer hat was zu tun? Wer ist im Geschäft? Die müssen ja deswegen nicht unbegabt sein, aber mit Protektion haben sie bessere Chancen.

Finden Sie es bitter, dass es immer noch so funktioniert?

Ist doch naiv zu glauben, das hätte aufgehört. Durch was hätte es aufhören sollen? Durch die Frauenbewegung sicher nicht. Die meisten Frauen, die gute Karrieren machen, sind keine harten Feministinnen. Diese werden, wenn sie Glück haben, Frauenbeauftragte, aber weiter kommen sie nicht. Viele Frauen kommen in die Medien, weil sie das haben, was gefragt ist: Ein wenig Begabung, Talent zur Selbstpräsentation und gutes Selbstbewusstsein - emanzipiert, aber nicht feministisch. Darauf stehen die entscheidenden Männer.

Sie dagegen tanzen ohne Bräutigam auf mehreren Hochzeiten.

Wohin soll ich mich denn auch hochvögeln? Dazu sind immer noch zu wenig Frauen in Führungspositionen.

Mal im Ernst: Warum wollen Sie sich nicht festlegen?

Weil es auf jeder Plattform was zu erledigen gibt. Ich versuche eben, Theorie und Praxis zu verbinden. Ich kann ein 50er-Jahre Schlagerprogramm machen oder einen Artikel über die Zeit damals schreiben. Kopf und Bauch sind nicht getrennt. Ich verstehe nicht, dass man das immer trennen will.

Sehen Sie nicht die Gefahr, sich zu verzetteln?

Doch sicher. Aber ich finde, es ist ein schöner Luxus, sich nicht entscheiden zu müssen. Das heißt natürlich auch, dass ich nicht durchstarte. Weil ich viele Neigungen habe und will, dass das, was ich mache, über den Moment hinausgeht, muss ich suchen.

Wie suchen Sie?

Intuitiv. Ich war zum Beispiel früh Schauspielerin am Tübinger Zimmertheater. Dann bin ich nach Berlin ans Schillertheater gekommen. Als ich gesehen habe, wie hier mit Schauspielerinnen umgesprungen wurde, habe ich gesagt: So will ich das nicht, und habe mein Literaturwissenschaftsstudium weitergemacht. Gerade wie Frauen auf der Bühne und im Fernsehen behandelt wurden, stieß mir mitunter auf. Wenn es zu viel Anpassung braucht, dann möchte ich es lieber nicht machen.

Sie leben demnach mit Reibungsverlusten?

Nachdem man in der ARD meine Sendung "Nachtschwester Kroymann" abgesetzt hatte, habe ich zwei Jahre gebraucht, um zu kapieren, dass man mich dort als Kabarettistin nicht mehr haben wollte. Es ist ja nicht so, dass ich mich frage: Was mach ich jetzt? Spiel ich oder sing ich? So nicht. Sondern ich prüfe, in welchem Bereich ich kreativ sein und meine Würde behalten kann.

Und das können Sie in Fernsehserien wie "Oh Gott, Herr Pfarrer"?

Ja klar kann ich das. Da wurde zur besten Sendezeit eine aufmüpfige Pfarrersfrau gezeigt. Eine, die dem christlichen Frauenbild nicht entspricht. Eine, die sagt: Ich bin doppelbelastet, ich koch Kartoffeln und korrigiere. Eine, die sagt: Ich kann die Bibelgruppe nicht machen, ich glaub nicht an Gott.

Zuletzt haben Sie großes Lob für Ihre Rolle im Film "Verfolgt" bekommen, der dieses Jahr in die Kinos kam. Sie spielen eine 52-jährige Bewährungshelferin, die eine sadomasochistische Beziehung mit ihrem 16-jährigen Probanden eingeht. Eine Rolle, die Sie als Novum in Ihrer bisherigen Karriere bezeichnen. Was ist neu?

Neu ist, dass ich im ernsthaften Bereich spiele. Neu ist, dass ich suchend spiele. Dass ich nicht in möglichst kurzer Zeit was Fertiges aufs Bild bringe, sondern was entwickle, wofür es kein Stereotyp gibt. Dass ich Unsicherheit spielen darf. Auch dass ich die Schönheitsideale des Fernsehens unterlaufe. Den jungen Mann verkloppen, das war natürlich auch neu. Das ist aber nicht, was mich weitergebracht hat.

Sondern?

Dass ich eine Frau meines Alters spiele, die ihren Neigungen nachgeht, obwohl sie nicht weiß, was es ist, was sie spürt. Diese Suche in sich selbst, die ist zutiefst emanzipatorisch. Was möchte ich jetzt, unabhängig von dem, was die Leute erwarten, was man in dem Alter macht? Sie entwickelt eine neue Option, obwohl diese gesellschaftlich höchst fragwürdig ist und sie von niemandem positives Feedback kriegt außer von sich selbst. Das finde ich eine tolle Rolle.

Sie spielen die Bewährungshelferin geradezu ungeschminkt.

Ich war ja real ungeschminkt. Deshalb sieht man all die Falten.

Und Sie können diese Ehefrauen alle spielen, ohne auf ihr Lesbischsein festgelegt zu werden?

Ich habe mir immer gewünscht, dass die Leute ganz selbstverständlich wissen: Die ist lesbisch, die steht auch dazu, die kann man darauf ansprechen. Gleichzeitig kann sie alles spielen, was sie spielen könnte, wenn es diese Information nicht gäbe. Das brauchte seine Zeit und das brauchte eine Aufgeschlossenheit von Seiten der Produzenten. Auch in der Branche sind Vorurteilsstrukturen aufgebrochen. Nur bei der ARD dauerte das länger. Da saß lange eine alte Männerriege, die ihr altes Frauenbild tradierte, ohne es reflektieren zu müssen.

Dem Frauenbild in den Medien entsprechen Sie tatsächlich nicht. Sie sind 58, attraktiv, feminin und feministisch, lieben eine Frau. Sie nutzen Ihre Popularität, um Tabus zu brechen. Und Sie verstecken Ihre Tabaksbeutelfalten über der Oberlippe nicht.

Tabaksbeutelfalten? Das ist gut. Das Wort ist Satire.

Satire ist was Ungeschminktes?

Was Abgeschminktes. Die Maske runterreißen. Wahrheit statt Image. Wirklichkeit statt vorgegebenem Bild. Beim Lachen geht einem ein Licht auf. Satire hat was mit Lust zu tun. Lustig heißt nicht umsonst so.

Ab nächster Woche treten Sie wieder mit Ihrem Gesangsprogramm "Gebrauchte Lieder" in der "Bar jeder Vernunft" auf. Sie singen Schlager aus den 50er- und 60er-Jahren. Was reizt Sie an denen?

Sie haben mir beim Größerwerden geholfen. Alles, was sich zwischen Geschlechtern abspielt, haben meine Eltern ausgeblendet. Bei mir kam das in den Schlagern vor. Bei Elvis Presley kriegte ich Gänsehaut. Der sang über Mädchen und Frauen. Das hat meine Fantasie angeregt. Ich wollte so ein Mädchen sein, das ihm gefallen würde. Alles, was mit Libido, mit Sinnlichkeit, mit Toll-gefunden-Werden zu tun hat, das kam in den Schlagern vor. Da war es mir gerade recht, dass es so trivial ausgedrückt war. Mit Eltern will man Sex nicht besprechen. Zumindest ich nicht. Dafür standen Elvis und der ganze Rock n Roll.

Wie sind Sie denn auf Elvis gekommen?

Natürlich vermittelt über meine vier älteren Brüder. Die haben das gehört. Da wusste ich, das ist definitiv eine andere Welt als dieses Tübingen mit Kirchenchor und altsprachlichem Gymnasium, mit Lateinvokabeln, Bachsonaten und Ballettunterricht. Das ist aufsässig, prickelnd, geheimnisvoll.

Wie ist es, wenn Sie mit den Liedern auf die Bühne gehen?

Es geht mir gut, wenn ich singe. Und ich spreche über etwas, das ich kenne. Da hab ich weniger Stress als bei Angelerntem. Ich kann die Akzente setzen. Ich gehe auf die Bühne, und 300 Leute schenken mir ihre Aufmerksamkeit. Das ist ein hochgradiges Privileg. Das ist Zuwendung.

Wie lange halten Sie so eine Spannung aus?

Solche Programme müssen kurz und intensiv sein. Man darf die Konzentration nicht überstrapazieren. Abgänge finde ich übrigens am schwersten. Man muss den richtigen Moment finden, um die Symbiose zwischen Publikum und Künstlerin aufzulösen. Am wohlsten fühle ich mich bei den Zugaben. Das Wiederkommen nach dem Abgang. Jetzt kriegen sie noch was, was sie gar nicht wussten. Das ist der Moment, wo amerikanische Künstlerinnen die Stöckelschuhe ausziehen und Udo Jürgens im Bademantel auf die Bühne geht. Es ist pure Lust. Doof ist, wenn man Zugaben gibt und die Leute schon gehen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.