„Pfandsysteme für Elektrogeräte“

Smartphones Was Kinderarbeit mit unserem Elektroschrott und Recycling zu tun hat

Anton Hofreiter

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ist Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen. Seit rund anderthalb Jahren telefoniert er mit dem Fairphone.

taz: Herr Hofreiter, weltweit schuften Kinder in Bergwerken, um Rohstoffe für unsere Smartphones aus den Stollen zu holen. In Europa landen wertvolle Wertstoffe als Elektroschrott auf dem Müll. Was läuft da falsch?

Anton Hofreiter: Bei der Rohstoffgewinnung brauchen wir eine deutlich klarere Haftung und Verantwortung der Unternehmen in der Lieferkette. Selbstverpflichtungen reichen nicht aus, die haben noch nie funktioniert. Da muss der Gesetzgeber ran. Außerdem ist eine deutlich höhere Recyc­ling-Quote nötig. In Europa ist Deutschland zwar nicht das Schlusslicht, aber trauriges Mittelfeld. Bei uns müssen nur größere Elektromärkte den Elektroschrott zurücknehmen, Discounter und viele andere Händler sind davon befreit. Auch über Pfandsysteme für Elektrogeräte muss man nachdenken.

Was muss der Gesetzgeber tun?

Um Kinder zu schützen, sind gesetzlich verbindliche Regeln für die globale Lieferkette nötig, zum Beispiel ehrgeizige ökologische, soziale und arbeitsrechtliche Standards für die Kennzeichnung von Produkten. Nur so kann Kinderarbeit bei der Herstellung unserer Konsumgüter unterbunden werden. Auch die Langlebigkeit und Reparierbarkeit der Produkte muss verbessert werden. Zum Beispiel durch die Verpflichtung, Ersatzteile länger vorzuhalten. Akkus sollten beispielsweise wieder verschraubt statt verklebt werden, um austauschbar zu sein. Hier hat es die Bundesregierung aber gerade verpasst, mit der Reform des Elektrogesetzes für Verbesserungen zu sorgen.

Das ist ja auch ein europäisches Problem.

Innerhalb Europas gibt es bessere und schlechtere Recyc­ling-Quoten: Deutschland liegt bei 40, Schweden bei 80 Prozent. Die Juncker-Kommission hat bei dieser Frage bisher wenig Ehrgeiz entwickelt. Sie unterliegt dem Irrtum, dass Wirtschaftswachstum nur funktioniert, wenn man wenig Umweltpolitik macht. Dabei entstehen durch kluge Umwelt- und Sozialpolitik moderne Produkte. Ein Beispiel ist das „Fairphone“, das einzige halbwegs fair produzierte Smartphone. Die Nachfrage ist groß, ich habe monatelang auf mein Gerät warten müssen. Das ist eine Marktchance. Mit einem Produkt, das auf faire Produktionsbedingungen setzt, lässt sich also Geld verdienen.

Wie kann man Unternehmen stärker in die Pflicht nehmen?

Es ist wichtig, auf jedes einzelne Unternehmen Druck auszuüben. In der Textilbranche etwa hat sich einiges bewegt. Bei der Smartphone-Produktion ist so gut wie nichts passiert. Die Komponenten werden in hohem Maß in Handarbeit produziert. Ich erwarte von Unternehmen, dass sie auch bei den Zulieferungen darauf achten, dass faire Arbeitsbedingungen, Sozial- und Umweltstandards eingehalten werden. Es wundert mich, dass eine Firma wie Apple behauptet, es sei zu aufwendig, die Lieferkette für Smartphones offenzulegen. Die haben Milliarden auf der hohen Kante und können deutlich mehr tun, ihrer Verantwortung als global agierender Konzern gerecht zu werden. Im Eigeninteresse: Sonst wenden sich immer mehr Kunden anderen Anbietern zu. Volker Engels