Dumm und dusselig

Nationalmannschaft Nach dem mühsamen 2:1 gegen Georgien steht die Frage im Raum, ob die DFB-Auswahl bei der EM in Frankreich wirklich ohne echten Stoßstürmer antreten sollte

So sehen Sieger aus: Nationalspieler nach vollendeter EM-Quali Foto: dpa

Aus Leipzig Frank Hellmann

Paule ist das Maskottchen der Fußballnationalmannschaft der Männer. Er ist dafür da, die Fans der Mannschaft[TM]zu unterhalten. Eine Kölner Produktionsfirma ist damit beauftragt, das schwarze Adlerkostüm im Deutschland-Trikot zu bewegen. Aber wann hat sich das Männchen im Maskottchen je so unglücklich verhalten wie an diesem kühlen Sonntagabend in Leipzig? Paule schlug mit seinen Flügeln, sprang auf und ab – und bemerkte zunächst gar nicht, wie die gesamte Entourage des DFB die Flucht vom Rasen angetreten hatte. Nein, dieses 2:1 gegen das zweitklassige Georgien hatte nicht einmal den Ansatz einer Feierstunde verdient. Und erst recht nicht die eigentlich obligatorische Ehrenrunde.

Auf dem Feld verblieben allein Jerôme Boateng und Manuel Neuer. Sie hatten Interviews für das fernsehen zu geben. Und sie redeten Klartext: „So wie wir heute gespielt haben, brauchen wir bei der EM nicht anzutreten. Gegen ein Spitzenteam kannst du so nicht spielen“, meinte der Münchner Boateng. Und Klubkollege Neuer grantelte: „Im Training schießen wir 50 Tore, ein Ball nach dem anderen fliegt ins Netz. Und dann tun wir uns so schwer gegen Irland und Georgien. Man hätte denken können, wir spielen gegen Italien oder Spanien.“

Auch Joachim Löw war nicht gerade glücklich: „Es war in dieser Qualifikation so schwierig wie nie in den letzten zehn, zwölf Jahren.“ Der Bundestrainer weiter: „Das kann nicht unser ­Anspruch sein.“ Dabei beaufsichtigt der 55-Jährige so viele feine Füße wie noch keiner seiner Vorgänger. Genau hier könnte das Problem liegen: die von ihm präferierten Profis tragen lieber den Ball ins Tor, als ihn humorlos rein­zuschießen. Beinahe schon tragikomisch war es, wie Marco Reus die Gelegenheiten im halben Dutzend versiebte. Gegen Gegner, die „wie im Feldhandball“ (Löw) agieren, stellt sich die DFB-­Auswahl dumm und dusselig an.

Der Weltmeister hat sich in der EM-Qualifikation unbemerkt in eine Sackgasse begeben, aus der sie bis zum Turnier in Frankreich schnell wieder herausfinden sollte. Wenn es gegen den Weltranglisten-110. aus dem Kaukasus schon einen überragenden Torhüter braucht, um einen Rückstand zu verhindern, läuft etwas schief. Neuer vermisste zu Recht den „Killerinstinkt“, Ballverteiler Toni Kroos fehlte die „absolute Geilheit, ein Tor zu machen“.

Das Effizienzproblem ist seit dem WM-Finale eklatant. Löw berichtete später mit süß-saurem Lächeln, er könne das gleiche Lied singen wie vor drei Tagen in Dublin. „Wir sind im Moment wie ein Boxer, der viele Treffer landet, aber nicht frühzeitig den K.o. schafft.“ Da stellt sich unweigerlich die Frage, ob sein Ensemble nicht eben doch mal einen wuchtigen Vollstrecker braucht, der zum Schlag ausholt. Viel zu spät korrigierte die Trainerbank den nächsten fehlgeschlagenen Versuch mit dem formschwachen André Schürrle, der im Zentrum noch weniger eine Hilfe ist als auf dem Flügel. Bezeichnenderweise glückte dem spät eingewechselten Max Kruse das Siegtor.

Die Frage nach einem anderen alternativen Knipser stellt sich für Löw nicht. So wie er zuvor den Namen Alexander Meier (Eintracht Frankfurt) mit keiner Silbe erwähnte, wollte er nun nicht auf die Perspektive des von einigen DFB-Scouts empfohlenen Davie Selke (RB Leipzig) eingehen. „Man soll nicht glauben, dass man einen großen, kopfballstarken Spieler braucht – einen Horst Hrubesch. Mit langen Bällen aus dem Halbfeld werden diese Stürmer auch nicht glücklich sein.“

Der Fußball-Ästhet mag seine Spielidee („auf Flachpass und Kombinationen angelegt“) nicht verraten. Gleichwohl: Neun Tore mehr in der Qualifikation haben die Polen fabriziert, die aber mit Robert Lewandowski (13 Treffer) auch einen Torjäger besitzen, wie es ihn in Deutschland derzeit nicht gibt.