Gespür für die Form

Design von Nebenan Unter dem Namen „Produktwerft“ entwirft der Oldenburger Sascha Akkermann nachhaltige Möbel. Seine Liege „Koii“ ist für den German Design Award 2016 nominiert

Altes zu Neuem verwandelt: nachhaltige Schränke aus der Serie „Produktwerft“   Foto: Manuela Sies

„Aus dem Bauch heraus“ und „Glücksfall“ sind Ausdrücke, die Sascha Akkermann gern verwendet, wenn er über seine Arbeiten spricht. Viele Dinge sind im Leben des Oldenburger Designers auf diese Weise entstanden. Das betrifft nicht nur seine nachhaltigen „Produktwerft“-Möbel aus recyceltem Bauholz, die er in seinem Atelier auf einem Resthof in Wüsting nahe Oldenburg entwirft. Es gilt auch für den Weg hierher. Nach der Realschule fiel es dem heute 41-Jährigen schwer, sich auf einen Beruf festzulegen.

Schließlich entschied er sich für ein Berufsgrundbildungsjahr zum Material Holz. „Ich merkte, dass mir das Arbeiten in der Werkstatt Spaß macht und ich es gut konnte.“ Eines Tages kam der damalige Tischlermeister der Oldenburger Brand-Werft in die Klasse und erkundigte sich nach dem Schüler mit den wenigsten Fehlstunden. Das war Sascha Akkermann. Er meldete sich und erhielt einen Ausbildungsplatz. „Bewusst entschieden habe ich mich nicht dafür“, sagt er heute. Trotzdem verfolgte er den Weg weiter, als die Werft 1995 insolvent ging. Gerade erst Geselle, machte er in Bayern 1999 seinen Meister, arbeitete in München als selbstständiger Tischler.

Nebenbei entwickelte er die Liege „Koii“, die nun für den German Design Award 2016 nominiert ist. In seiner Wohnung experimentierte Akkermann mit Material, Form und Funktion. Es entstand eine fischähnlich geformte Liege aus Holz und LKW-Plane, die sich trotz der stabilen Holzkonstruktion aufrollen und verstauen lässt. „Ich habe aus dem Bauch heraus angefangen und Modelle gebaut.“ Anders als viele andere Möbeldesigner entwirft er nicht am Reißbrett oder am PC. So geht er bis heute vor. „Ich finde es spannend, wie sich die Erscheinung des Stücks während der Arbeit verändert, indem ich zum Beispiel eine Seite kürze.“ Mit der Zeit habe er ein Bauchgefühl für die Form entwickelt. Wichtig sind ihm dabei bis heute Klarheit und Einfachheit. „Und einen besonderen Nutzwert müssen die Möbel haben“, erklärt er. Wie die Liege, die auch aufrollbar ist.

2002 erhielt Sascha Akkermann für „Koii“ den Bayerischen Staatspreis für Nachwuchsdesign, der Einstieg in die Design-Szene. Es folgten Ausstellungen, Messen und Projekte mit anderen, etwa Designerin Flo Florian, mit der er bis 2012 unter dem Label „Confused Direction“ zusammenarbeitete. Kurz nach der Auszeichnung stellte Akkermann „Koii“ erstmals allein auf einer Verkaufsmesse in der Schweiz vor, erhielt 33 Aufträge. Nur hatte er noch keinen Hersteller, der Produktion und Vertrieb für ihn übernahm.

„Das war ein halbes Jahr lang übler Stress, schließlich musste ich die fertigen Liegen auch noch in die Schweiz liefern.“ Danach habe er einen Produzenten gesucht, vergeblich. Einerseits, weil niemand die spezielle Holzfräsung in der gewünschten Qualität liefern konnte. Anderseits gestalteten sich die Verhandlungen schwierig. „Es ist üblich, dass der Hersteller dem Designer vom Großhandelspreis nur drei bis vier Prozent überlässt.“

Ein Stück könne also erfolgreich sein, ohne dass für den Schöpfer viel Geld übrig bleibe.Diese und andere Erfahrungen ließen den Möbeldesigner eine gewisse Distanz zur Branche entwickeln. „Ich habe losgelassen.“ Deshalb ließ er auch die Herstellersuche für die Liege erst einmal bleiben. Erst als sie in einer Zeitschrift abgebildet war, meldete sich ein Fräser als Süddeutschland. Gleichzeitig fand sich ein Familienbetrieb aus dem nahen Landkreis Friesland für Produktion und Vertrieb. Wieder einer dieser Glücksfälle. „Auf einmal passte alles.“ Seine Nominierung betrachtet Sascha Akkermann nüchtern: „Ich bin stolz, wenn der Entwurf gewinnt, aber das Drumherum ist nicht mein Ding.“ Manuela Sies