„Konfliktrohstoffe nutzen viele“

Ressourcen Um die ganze Lieferkette der Unternehmen transparent zu machen, sind verpflichtende Regeln nötig, sagt Katie Böhme von der Beratungsfirma iPoints

Schwierige Rückverfolgung: Koltan aus dem Kongo Foto: Sven Torfinn/laif

Interview Heike Holdinhausen

taz: Frau Böhme, Sie zählen weltweit 35.000 Unternehmen als Ihre Kunden. Was kaufen die bei Ihnen?

Katie Böhme: Wir bieten ihnen Software und Dienstleistungen an. Damit können sie Daten für Behörden, Kunden und für den eigenen Gebrauch sammeln, verarbeiten und nutzbar machen. Ziel ist, dass sie über den gesamten Lebenszyklus gesetzeskonforme und nachhaltige Produkte herstellen können. Bei langen und verflochtenen Lieferketten ist das nicht einfach.

Wie viele Ihrer Kunden benutzen Konfliktmineralien?

Fast alle. Die vier Metalle Zinn, Tantal, Wolfram und Gold gelten als Konfliktmineralien, auch wenn sie nicht aus Konfliktgebieten kommen. Unternehmen, die einen dieser Rohstoffe verwenden, können direkt oder indirekt von entsprechenden Gesetzen, etwa aus den USA, betroffen sein, vom Elektronik- über den Chemie- bis zum Autokonzern.

Wie können Unternehmen die Herkunft eines Konfliktrohstoffs lückenlos verfolgen?

Vereinzelte Großkonzerne schauen sich direkt die Minen an, aus denen ihre Rohstoffe kommen. Das können die meisten Unternehmen aber nicht leisten. Sie befragen ihre direkten Lieferanten, diese wiederum ihre Sublieferanten und so weiter. Am Ende entsteht dann ein Bericht des Unternehmens, das direkt von der Regulierung betroffen ist. Dieser muss bei der US-Börsenaufsichtsbehörde eingereicht und auf der Internetseite veröffentlicht werden.

Eine besondere Rolle spielen die Schmelzen, wo Erze und Mineralien zu Legierungen verarbeitet werden. Warum?

In der Schmelze verlieren die Rohstoffe ihren geologischen Fingerabdruck, danach können sie nicht mehr zu einer Mine zurückverfolgt werden. Außerdem sind die Schmelzen das Nadelöhr, hier laufen die Warenströme aus den Minen zusammen. Darum ist es sinnvoll, sie genauer unter die Lupe zu nehmen und zu zertifizieren.

Katie Böhme

Foto: privat

verantwortet die Kommunikation bei iPoint-systems. Die Reutlinger Firma bietet Software und Beratung im Nachhaltigkeitsbereich an, wie für Gesetze zu Chemikalien (Reach).

Gibt es das schon?

Ja, zum Beispiel die Conflict-Free Sourcing Initiative (CFSI) verfolgt diesen Ansatz. 214 der weltweit etwa 500 Schmelzfabriken hat sie bereits als konfliktfrei zertifiziert. Die Initiative veröffentlicht regelmäßig Listen und bietet Formulare an, mit denen die Herkunft der Konfliktrohstoffe systematisch abgefragt werden kann.

Wie anfällig ist diese Methode gegenüber Betrug oder Nachlässigkeit?

In der Datensammlung sind verschiedene Mechanismen implementiert, um die Qualität der Lieferantenberichte zu bewerten und damit auch unglaubwürdige Angaben zu überprüfen. Wenn etwa ein Elektronikunternehmen sagt, es benutze kein Gold – das ist praktisch unmöglich.

Werden häufig unglaubwürdige Antworten moniert?

Wesentlich häufiger werden ­untätige Unternehmen kritisiert. Hier spielen Nichtregierungsorganisationen eine wichtige Rolle: Wenn sie aufdecken, dass ein Unternehmen sich nicht ausreichend bemüht, bekommt es Imageprobleme. Die Unternehmen müssen in ihrem Bericht darlegen, ob Konfliktrohstoffe für die Funktionsfähigkeit oder Herstellung ihrer Produkte notwendig sind und, wenn ja, woher diese stammen. Außerdem müssen sie offenlegen, welche Maßnahmen sie in ihrer Lieferkette unternommen haben.

In Brüssel laufen derzeit Verhandlungen zwischen Rat, Parlament und EU-Kommission über ein Gesetz über die Verwendung von Konfliktmineralien.

Als Konfliktrohstoffe gelten Tantal, Wolfram, Zinn und Gold. Sie gelten als eine der Finanzquellen des Krieges in der Demokratischen Republik Kongo; ihr Abbau ist mit zahlreichen Menschenrechtsverstößen sowie einer verheerenden Umweltzerstörung verbunden.

In verschiedenen Ländern regeln Gesetze die Verwendung der Rohstoffe, allen voran der Dodd Frank Act in den USA. Er schreibt unter anderem Berichtspflichten vor. China und einige afrikanische Länder haben ebenfalls Gesetze erlassen.

Leitlinien zum Umgang mit Rohstoffen aus konfliktreichen Regionen haben die OECD und die UN erlassen. Nach ihnen können sich Unternehmen, die Konfliktrohstoffe brauchen, jetzt schon richten.

Wie viel Aufwand ist das für ein Unternehmen?

Das hängt von der Unternehmensgröße und der Position in der Lieferkette ab. Aber bei größeren Unternehmen können das auch mal zwei Mitarbeiter in Vollzeit sein. Wenn entsprechende Prozesse und Systeme etabliert sind, dann sind die laufenden Aufwände und Kosten verhältnismäßig niedrig.

Die Industrie betont, schon jetzt würden sich viele Firmen freiwillig an die Vorgaben der OECD zu einer „angemessenen Sorgfalt“ im Umfang mit Konfliktmineralien halten. Sind gesetzlich verpflichtende Vorschriften nötig?

Laut einer Umfrage der EU-Kommission üben zwar schon 40 Prozent der Unternehmen freiwillig Due Diligence aus. Nach unserer Erfahrung ist es aber schwierig, die ganze Lieferkette zu Angaben zu bewegen, wenn alles nur auf Freiwilligkeit beruht. Letztlich darf man das Ziel all dieser Gesetze nicht aus den Augen verlieren: Sie sollen schwere Menschenrechtsverletzungen verhindern und zu einer nachhaltigen Ressourcenbeschaffung beitragen. Ob freiwillig oder verpflichtend – für uns ist wichtig, dass die Unternehmen sich ihrer Verantwortung bewusst sind und sich entsprechend verhalten.